Staatsanwalt will Verlängerung

JUSTIZ Im Korrup- tionsprozess gegen den früheren Bundespräsidenten Wulff plädiert die Staatsanwaltschaft auf Fortsetzung der Beweisaufnahme

Für die Staatsanwaltschaft war der Wulff-Prozess ein „Auswärtsspiel“

AUS HANNOVER TERESA HAVLICEK

Ungewöhnliche Plädoyers in einem ungewöhnlichen Prozess: Im Korruptionsverfahren gegen Exbundespräsident Christian Wulff (CDU) vor dem Landgericht Hannover forderte Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer am Donnerstag überraschend kein Strafmaß, sondern die Fortsetzung des Prozesses und die Aufnahme weiterer Beweise. Ein Strafmaß dürfe er nur bei „Erkenntnisreife“ beantragen. Die aber sei auch nach 13 Verhandlungstagen mit 26 Zeugen nicht erreicht, erklärte Eimterbäumer.

Angeklagt ist Wulff wegen Vorteilsannahme. Er soll sich als niedersächsischer Ministerpräsident mit einer Einladung des befreundeten Filmunternehmers David Groenewold zum Oktoberfest 2008 korrumpieren lassen haben. Knapp 750 Euro soll der wegen Vorteilsgewährung mit angeklagte Groenewold für Teile der Hotelkosten, einen Besuch im Wiesn-Festzelt und einen Babysitter spendiert haben. Dafür soll Wulff beim Siemens-Vorstand um Unterstützung für ein Groenewold-Filmprojekt geworben haben.

Um das zu belegen, hatte die Staatsanwaltschaft mehrfach neue Beweise beantragt und war vom Vorsitzenden Richter Frank Rosenow zunehmend schroff zurückgewiesen worden. Zuletzt drohte er gar, das Verfahren auszusetzen, das Oberstaatsanwalt Eimterbäumer am Donnerstag als „Auswärtsspiel“ für die Anklagebehörde bezeichnete. Rosenow hatte schon kurz nach Prozessauftakt einen Freispruch angedeutet und bezweifelt, dass Wulff bei seinem München-Trip überhaupt Vorteile angenommen hat. Diese Signale kamen bei den Angeklagten gut an.

Die Verteidiger bedankten sich in ihren Plädoyers bei Rosenow ausdrücklich für seine Prozessführung und forderten „umfassende“ Freisprüche für Wulff wie Groenewold. Wulff will von der Kostenübernahme erst nichts mitbekommen, Groenewold das Geld aber bar erstattet haben, als er davon erfuhr. „Wenn der eine nicht weiß, was der andere tut, scheiden Korruptionsvorwürfe aus“, sagte sein Anwalt Peter Nagel. Wulffs zweiter Verteidiger Michael Nagel sprach von „tendenziösen, unhaltbaren Spekulationen“, einem „Angriff auf Ehre und Würde“. Der Staatsanwaltschaft attestierte er von den Ermittlungen bis zur Anklage eine „Linie der verbrannten Erde“.

Oberstaatsanwalt Eimterbäumer nannte derlei Kritik „Prozesspropaganda“. Man habe die Ermittlungen stets „ergebnisoffen, transparent und fair geführt“. So habe man etwa den Termin der Hausdurchsuchung vorab mit Wulff abgestimmt, um zu vermeiden, dass Presse vor der Tür lauert. „Ich habe mir nicht vorstellen können, wie leicht sie Unwahrheiten verbreiten“, sagte Eimterbäumer zu Wulff. Der hatte gleich zu Prozessbeginn die „Grenzüberschreitungen“ der Ermittler scharf getadelt.

Am Donnerstag zeigte sich Wulff versöhnlicher: „Ich habe große Hoffnung, dass sich die Wogen auf allen Seiten glätten – spätestens mit dem Urteil, das wir erwarten können“, sagte er. Sollte es kommende Woche zum ersehnten Freispruch kommen, könnte allerdings eine Revision vor dem Bundesgerichtshof drohen. So hat es der zuständige Generalstaatsanwalt bereits angekündigt.