„Der Clip ist im Kasten“

AKTIVISMUS Zwei Mitglieder der Pussy Riots sind nun so weltberühmt wie Madonna und Yoko Ono – auch weil sie in Sotschi waren

So sagte Mittwoch der Anwalt der Punkband Pussy Riot nach deren ersten Aktion in Sotschi: „Der Clip ist im Kasten.“ Wahr ist: Genau dafür gingen die Frauen nach Sotschi, nutzten die Aufmerksamkeit der Olympischen Spiele, ließen sich verhaften und am Ende auspeitschen. Alles für die Kamera? Die Medien lieben sie dafür, heben die Frauen auf Titelseiten, machen ihre Geschichte groß. Zu groß?

Jeglicher politischer Aktivismus in Russland wird mittlerweile mit den zwei berühmtesten Pussy-Riot-Aktivistinnen Nadeschda Tolokonnikowa und Marija Aljoschina verknüpft. Während der Berlinale neulich erklärten sie noch, sie wollen eine zivilgesellschaftliche Organisation gründen, die sich für eine Verbesserung der Bedingungen in russischen Gefängnissen einsetzt. Klang gut – und wurde gern von der Presse aufgenommen.

Einige Tage später sind sie schon in Sotschi. Filmen einen Videoclip für das Lied „Putin will teach you how to love“ – und die Medien immer dabei. Das soll anstößig sein? Nein, die beiden Frauen dafür zu kritisieren, wie sie Öffentlichkeit gewinnen, ist falsch. Das müssen sie schließlich. Ihre Omnipräsenz, so muss man sagen, schützt sie natürlich auch. Es steht nämlich ein größeres Gut auf dem Spiel: ihre Freiheit.

Das Problem ist die Ikonisierung der beiden Frauen. Wie Götzenbilder werden ihre Fotos, ihre Videos und ihre Aktionen in die Welt getragen. Sie sollen ehrfürchtig machen, Reaktionen auslösen. Doch mit der Stilisierung der Frauen verschwindet alles Politische ins rein Performative, jede Forderung, jeder gedankliche Impuls – sie setzen auf Aufmerksamkeit in eigener Sache und auf nichts sonst.

Das sieht ein großer Teil des Pussy-Riot-Kollektivs ähnlich. Anfang des Monats erschien ein offener Brief von anonymen Mitgliedern. Für sie gehören Aljoschina und Tolokonnikowa nicht mehr dazu. Denn eine ihrer Regeln lautet: Verhüllung gegen die Vermarktung des weiblichen Gesichts und Körpers (taz vom 5. 7. 2013). Diese Regel haben beide Frauen auch in Sotschi verletzt. Ihre Gesichter sind nun immerhin überall. Sie sind nun VIPs der globalen Glamourprotestszene, stehen mit Celebrities wie Madonna auf der Bühne, treffen Yoko Ono. Was für ein Erfolg! IPP