Ein Hotel, den Nazis zum Geschenk

Aufruhr in Delmenhorst: Der Besitzer eines insolventen Hotels bietet seine Immobilie einer Nazi-Stiftung an – wenn nicht zum Kauf, dann als Geschenk. Stadtverwaltung und Bürger versuchen, das Geschäft mit einem „Abwehrkauf“ zu verhindern

AUS BREMEN JAN ZIER

Bis vor zwei Wochen war Günter Mergel nicht viel mehr als ein Pleitier. Ein weithin unbekannter Mann mit einem Hotel, das vor einem Jahr in die Insolvenz ging und seither verfällt. Inzwischen treibt Günter Mergel eine ganze Stadt vor sich her. Erst drohte er damit, sein ehemaliges Drei-Sterne-Hotel in der Delmenhorster Innenstadt an den Hamburger Rechtsanwalt und bekennenden Nazi Jürgen Rieger zu verkaufen – für stolze 3,4 Millionen Euro, so wurde kolportiert. Gestern nun überraschte Mergel mit einer neuen Wendung: Das „Hotel am Stadtpark“, sagte er Radio Bremen, werde „verschenkt“ – an den, der eigentlich kaufen wollte: Jürgen Rieger und seine rechtsextreme „Wilhelm Tietjen Stiftung für Fertilisation Limited“.

Im Gegenzug solle die Stiftung die Immobilie samt der auf ihr lastenden Hypotheken übernehmen. Wie hoch Mergel verschuldet ist, hat er bislang nicht verraten. Nach eigenen Angaben kaufte er 1992 das Hotel für 6,5 Millionen Mark. Derzeit müsse er für Zins und Tilgung jährlich 120.000 Euro aufbringen, sagte er der taz.

Um den Deal zu verhindern, hat der Delmenhorster Oberbürgermeister Carsten Schwettmann (CDU) zum „Abwehrkauf“ aufgerufen. Schon 44 Euro pro DelmenhorsterIn würden genügen, rechnete er vor, um Rieger das marode Hotel vor der Nase wegzuschnappen. Eine Bürgerinitiative „Für Delmenhorst“ wurde gegründet, ein Treuhandkonto eingerichtet. Bis gestern Nachmittag liefen dort fast 700.000 Euro auf – ein Fünftel des Betrages, den Rieger angeblich geboten hat. Allerdings winkt Schwettmann mit zusätzlichem Geld: „Gegebenenfalls“ sei auch ein aus städtischen Mitteln unterstützter Kauf denkbar.

Doch genau diesen Plan will Günter Mergel nun offenbar durchkreuzen. „Die Dinge überschlagen sich hier. Ich habe die Schnauze voll, mit der Stadt zu arbeiten“, wird er von Radio Bremen zitiert. Mergel, so sagte der von der Stadt eingeschaltete Vermittler der taz, sei körperlich wie psychisch mittlerweile in „sehr schlechter Verfassung“.

Seit Jahren schon liegt Mergel mit der Kommune im Clinch. In seinen Augen ist sie daran Schuld, dass er 2005 Insolvenz anmelden musste – weil sie „immer mehr Lärm“ vor dem Hotel duldete. Zwei Veranstaltungszentren liegen in der Nachbarschaft, ein Volksfest macht sich vor dem Hoteleingang breit. Vier Lärmgutachten wurden eingeholt, unzählige Prozesse geführt.

Ob Mergel den „Abwehrkauf“ der Delmenhorster mittels einer so genannten gemischten Schenkung an Riegers rechtsextreme Briefkasten-Stiftung verhindern kann, ist unklar. Eine abschließende rechtliche Prüfung stehe noch aus, ließ die Stadt gestern verlauten. Die Verwaltung hofft jedoch auf das Baurecht.

Denn ebenso wie ein Kauf bedürfe auch eine Schenkung der Genehmigung durch die Stadt, argumentiert der Leiter der städtischen Rechtsabteilung, Klaus Koehler. Schließlich hat die Ratsgemeinde das Gelände rund um das Hotel vergangene Woche eilends zum Sanierungsgebiet erklärt. Auf diese Weise, hofft man im Rathaus, könne man „Einfluss auf einzelne Ordnungs- und Baumaßnahmen nehmen“, falls sie dem „Ziel und Zweck der beabsichtigten Sanierung widersprechen“. Zudem könne der Sanierungsplan der Stadt ein Vorkaufsrecht verschaffen, argumentiert Koehler. Unklar ist allerdings, ob sie in diesem Falle den von Mergel geforderten Kaufpreis – oder aber den tatsächlichen Zeitwert der Immobilie bezahlen müsste. Auch über dessen Höhe wird derzeit noch gestritten. Als sicher gilt aber: 3,4 Millionen Euro ist das Hotel längst nicht wert.

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