Ukraine will Sonderpreis für Gas

Die erste Russlandreise des neuen ukrainischen Regierungschefs Janukowitsch führt nicht nach Moskau, sondern ans Schwarze Meer. Sein Ziel, den Gaspreis zu verringern, scheint kaum erreichbar. Nur bis Jahresende soll der alte Preis gelten

VON BARBARA OERTEL

Noch vor wenigen Tagen hatte sich der neue ukrainische Regierungschef Wiktor Janukowitsch zuversichtlich gezeigt. Sein Ziel sei es, bei seinen Gesprächen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Sotschi eine Preissenkung für russische Gaslieferungen in die Ukraine auszuhandeln. Gestern war Janukowitschs Optimismus nach einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Michail Fradkow und vor einem Gespräch mit Putin merklich gedämpft. Zumindest werde der derzeitige Preis von 95 Dollar für 1.000 Kubikmeter bis zum Jahresende nicht erhöht werden. Danach werde der Markt entscheiden, sagte Janukowitsch.

Der so genannte Gaskrieg zwischen Moskau und Kiew war Ende vergangenen Jahres eskaliert, als der russische Gasgigant Gazprom kurzzeitig die Lieferungen einstellte. Diesem Schritt war eine Preiserhöhung von 50 auf 230 Dollar vorausgegangen – eine Forderung, der sich Kiew weigerte nachzukommen. Schließlich einigten sich beide Staaten auf einen Preis von 95 Dollar für das erste Halbjahr 2006. Die Lieferungen wickelt die Firma Rosukrenergo ab, die je zur Hälfte Gazprom und zwei ukrainischen Geschäftsleuten gehört. Unlängst kündigten Gazprommanager an, die Preise für die Ukraine zum 1. Januar 2007 in jedem Fall erhöhen zu wollen.

Dass ihn seine erste Auslandsreise nach dem Amtsantritt nach Russland führen werde, hatte der russophile Janukowitsch bereits am 5. August bekannt gegeben. Allerdings war da noch die Rede von Moskau gewesen, das ihm nach den gefälschten Präsidentenwahlen im Herbst 2004 bereits zum Sieg gratuliert hatte.

Kurz darauf änderte die russische Seite ihre Pläne und lud Janukowitsch wegen Terminschwierigkeiten des Kremlchefs nach Sotschi zum Gipfel der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft ein. „Der Ort des Treffens hat eindeutig eine politische Bedeutung“, schrieb die ukrainische Tageszeitung Kommersant. Der Gemeinschaft, die im Oktober 2000 gegründet wurde und deren Sinn unklar ist, gehören Russland, Weißrussland, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan an. Die Ukraine hat sich einer Mitgliedschaft bislang verweigert und nur einen Beobachterstatus.

Das will Moskau ändern und forderte Janukowitsch gestern auf, die Möglichkeiten eines Beitrittes zur Zollunion im Rahmen der Wirtschaftsgemeinschaft zu prüfen. Der ukrainische Premier hielt sich noch bedeckt, bekundete jedoch sein Interesse an einer verstärkten Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten.

Die vornehme Zurückhaltung ist verständlich, schließlich will Janukowitsch den Westen nicht verprellen. Der ukrainische Politologe Wladimir Neboschenko fühlt sich bereits an die Zeiten unter Exstaatschef Leonid Kutschma erinnert. Diese seien durch eine zweigleisige Außenpolitik gekennzeichnet gewesen: Zusammenarbeit mit Russland, aber auch mit dem Westen, sagte er der ukrainischen Ausgabe der Komsomolskaja Prawda. „Die Politik muss Janukowitsch jetzt reanimieren. Dafür ist er nach Russland gefahren.“