Ende der Frauenberatung
: Chancen verspielt

Die Zeiten hätten sich geändert, sagt Frauenminister Laschet. Um die dramatisch niedrige Erwerbsquote von nur 61 Prozent der Frauen im Lande zu fördern, bedürfe es anderer Mittel als in den 1980ern. Das mag stimmen. Leider aber sind wir auch noch nicht in einer glorreichen Zukunft angekommen. Die Chancengleichheit von Frauen und Männern steht eben noch nicht auf der Tagesordnung jeder Branche. Vorurteile von männlichen Vorgesetzten und Kollegen sowie verunsicherte Mädchen und Frauen machen auch heute noch eine spezifische Förderung unerlässlich.

KOMMENTAR VON ANNIKA JOERES

Laschets Parteikollegin Christa Thoben bewies gestern, dass die propagierte Querschnittsaufgabe schon in ihrem Wirtschaftsministerium nicht ernst genommen wird. Das für alle Ministerien verpflichtende gender mainstreaming war ihr schon als Wort nicht geläufig, ihr GründerInnenprogramm heißt Starter-Center und eben nicht neutral Start-Center. Dies sei ihr zu kompliziert gewesen. Und auch die 16 Industrie- und Handelskammern in NRW, die im Auftrag von Laschet bald Frauen auf dem Weg in den Beruf beraten sollen, haben von den Problemen beispielsweise einer Türkin, die Maschinenbau studieren möchte, keine Ahnung.

Das geringe Engagement für Frauen beweist allein die Struktur der IHK. Alle Kammern werden von Männern geleitet, und wie das Frauenbild vieler dieser älteren Unternehmenspatriarchen aussieht, hat ein Bereichsleiter der IHK Essen jüngst in einem WDR-Interview verdeutlicht: Weil zwei Beraterinnen weiblich seien, könnten sie sich gut in die „Psyche von Gründerinnen hineinversetzen.“ Frauen zu fördern, bedeutet für den Kammerleiter, Seelentröster für das emotionale Geschlecht zu spielen. Ein sehr altmodisches Frauenbild, das nicht für eine kompetente Beratung spricht. Kaum eine der 80.000 Frauen, die jährlich die Regionalstellen aufgesucht haben, wird bei diesen Kammern Hilfe finden. Sie werden wieder in die 1970er Jahre zurückgeworfen.