Stoiber als Dr. No


AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Edmund Stoiber spielt weiter Dr. No. Nein, immer wieder nein sagt der CSU-Chef zu deutschen Kampftruppen im Nahen Osten – auch nach der Grundsatzentscheidung der Koalitionsspitzen für eine deutsche Beteiligung an der UN-Mission. In Berlin reagieren die Unionskollegen auf Stoibers tägliche Mahnungen zunehmend verwundert bis verärgert.

Über „unsinnige Einlassungen“ aus Bayern schimpfte ein CDU-Mann, schließlich habe die Kampftruppen, die der CSU-Vorsitzende so vehement ablehnt, gar niemand gefordert. „Was wollen Sie eigentlich?“, soll auch ein Teilnehmer des Bayreuther Koalitionsgipfels am Mittwoch den Anti-Kampftruppen-Kämpfer Stoiber gefragt haben: „Wir sind doch auf einer Linie.“ Damit meinte er, dass auch die Regierung nur ein begrenztes Engagement eingehen wolle. Dass deutsche Soldaten in eine Lage gebracht werden könnten, in der sie auf Israelis schießen müssten – vorgeblich Stoibers größte Sorge –, hatte Vizeregierungssprecher Thomas Steg bereits ausgeschlossen. Doch das genügt Stoiber nicht. In Bayreuth stimmte er zwar der Formulierung zu, wonach Deutschland „Beiträge zur Sicherung der syrisch-libanesischen Grenze, insbesondere seeseitig“, anbieten könne, aber sofort danach stellte er klar, dass ihm die Erklärung zu schwammig sei. Er fordert eine klare Absage an Kampftruppen. Damit überspielt Stoiber, dass auch die Haltung seiner CSU in den letzten Tagen alles andere als klar war.

Auf der CSU-Homepage war noch während des Treffens in Bayreuth ein kategorisches Nein zu jeglichen Einsätzen der Bundeswehr verkündet worden. „Stoiber: Keine deutschen Truppen in Nahost“, hieß es dort, und: „Helfen ja, Soldaten nein“. CSU-Generalsekretär Markus Söder lehnte sogar einen Einsatz der Marine oder der Bundespolizei ab. Doch siehe da, direkt nach dem Bayreuther Gipfel wurde die Sprachregelung geändert, nun stand auf der CSU-Homepage nur noch: „Keine deutschen Kampftruppen in Nahost“ und „Helfer ja, Kampftruppen nein“.

Die eingeforderte Klarheit bringt jedoch auch dieser Begriff nicht. Denn was unter „Kampftruppen“ zu verstehen ist, bleibt Interpretationssache. Für die „seeseitige“ Grenzkontrolle etwa – der Stoiber zugestimmt hat – kommen Fregatten der Marine in Frage, die über großkalibrige Waffen verfügen. Sind das keine Kampftruppen? Diese Problematik scheint auch Stoiber zu spüren. Gestern konzentrierte er sich bei seinem verbalen Widerstand auf Kampfeinsätze der Bundeswehr „im Südlibanon“.

Für die CSU, die ihre Rhetorik mühsam der Entwicklung anpasst, scheint vor allem eines wichtig zu sein: stets größtmögliche Zurückhaltung zu signalisieren. Aus dem Umfeld der Parteiführung in München hieß es, Söder habe mit seinem kategorischen Nein „sicher die Mehrheitsmeinung in der CSU“ wiedergegeben. Dahinter steckt das traditionelle Bedürfnis, dem Volk stets möglichst genau aufs Maul zu schauen. Laut Umfragen sind rund 60 Prozent der Bürger gegen einen Bundeswehreinsatz in Nahost. Diese Bedenken macht sich die CSU zu eigen. Dass er seine persönlichen bundespolitischen Ambitionen abhaken musste, verschafft Stoiber nun die Freiheit, von der Regierungslinie abzuweichen. Auch in München ist man sich aber klar, dass dies „wahrscheinlich nicht dazu führen wird, dass überhaupt keine Soldaten losgeschickt werden“.

Je enger Vertreter der CDU in Berlin eingebunden sind, desto weicher formulieren sie. So schloss Christian Schmidt (CSU), Staatssekretär im Verteidigungsministerium, einen Einsatz der Marine schon am Dienstag nicht mehr aus.

Die Bremsversuche aus München dürften weitergehen. Es geht nicht mehr darum, den Einsatz der Bundeswehr zu verhindern. Es geht der CSU darum, bei Problemen während des Einsatzes sagen zu können, sie habe früh genug gewarnt.