Keine klare Botschaft

Die Regierung informiert erstmals die Bundestagsausschüsse über ihre Pläne für einen Bundeswehreinsatz im Libanon. Doch viele Fragen bleiben offen

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Der Einsatz der Bundeswehr im Nahen Osten rückt näher – so viel immerhin scheint, bei allen Unklarheiten, festzustehen. Die Bundesregierung jedenfalls signalisierte gestern erneut ihre Bereitschaft, Soldaten in die Krisenregion zu schicken. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) stellte eine „starke maritime Komponente“ des deutschen Beitrags für die UN-Mission in Aussicht, also Marineeinheiten. Und weil sie für diesen heiklen Einsatz die Zustimmung des Bundestags braucht, demonstrierte die Regierung Auskunftsbereitschaft.

Am Donnerstagabend wurden die Fraktionschefs aller Parteien ins Kanzleramt geladen, gestern kamen die zuständigen Minister in die Ausschüsse für Verteidigung und Auswärtiges. Eine Informationsoffensive, nach der immer noch viele Fragen offen blieben, die aber zumindest in groben Umrissen erkennbar machte, was die Regierung vorhat.

Der Stand von gestern Nachmittag: Deutschland will im Nahen Osten zunächst möglichst schnell humanitäre Hilfe leisten. Dafür werden in den kommenden Tagen Transall-Maschinen und Airbusse der Bundeswehr bereitgestellt, wahrscheinlich auch ein Lazarettschiff. Darüber hinaus bietet die Bundesregierung den Vereinten Nationen einen Beitrag der Marine an, die vor der libanesischen Küste eingesetzt werden könnte, um die Seegrenze zu Syrien zu kontrollieren und Waffenlieferungen für die Hizbollah-Milizen im Libanon zu unterbinden. Einen Kampfeinsatz von Bodentruppen schließt die Regierung aus.

So weit die Klarheiten. Völlig unklar blieb jedoch, in welchem Umfang die Marine eingesetzt werden soll und welche Art von Hilfe Deutschland auf libanesischem Staatsgebiet leisten will. Für Verwirrung sorgte hierbei vor allem der deutsche UN-Botschafter Thomas Matussek. Dieser machte auf der Truppenstellerkonferenz in New York am Donnerstag weitreichendere Angebote für den deutschen Beitrag als die Regierung in Berlin. So bot er an, mit Marineeinheiten „die gesamte libanesische Küste zu patrouillieren und kontrollieren“ – was Verteidigungsexperten der Koalition für unmöglich halten. Außerdem brachte Matussek den Einsatz von deutschen Bundespolizisten für Patrouillen an der Grenze zwischen dem Libanon und Syrien ins Gespräch. „Wir könnten eine ziemlich substanzielle Grenzpatrouille entlang der Grenze zu Syrien anbieten“, sagte er in New York. Genau das aber hatten Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) explizit ausgeschlossen. „Das geht nicht“, sagte Merkel über Grenzgänge der Bundespolizei oder der Polizei an der libanesisch-syrischen Grenze. Und noch am selben Abend bietet dies der deutsche Botschafter den Vereinten Nationen an? Selbst Koalitionspolitiker reagierten darauf perplex – und nahmen vorsichtshalber erst einmal die eigene Kanzlerin und den eigenen Außenminister in Schutz. Dass es bei den Äußerungen in Berlin und New York Unterschiede gab, sei „nicht auf die Bundesregierung zurückzuführen“, sagte der SPD-Außenpolitiker Gert Weisskirchen. Sie seien „möglicherweise in der Sprachfähigkeit des Botschafters“ begründet. Was immer das bedeuten soll: Matussek hatte nach dem Treffen Merkels mit den Fraktionschefs einen handschriftlich aktualisierten Sprechzettel des Auswärtigen Amtes rechtzeitig per Fax bekommen.

Matusseks Dienstherr Steinmeier sagte vor der Presse nichts über das Verhalten seines Botschafters. Er betonte jedoch – wie zuvor schon Merkel –, dass die Bundespolizei im Libanon allenfalls beraten oder technische Hilfe leisten werde. Eine Stationierung von Bundespolizei an der Grenze sei „weder von der libanesischen Regierung angefragt noch von der Bundesregierung beschlossen worden“, sagte Steinmeier. Immerhin: Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigte sich daraufhin erleichtert. „Ein solcher Einsatz hätte unsere Kollegen an Leib und Leben gefährdet“, erklärte GdP-Chef Konrad Freiberg. Die Opposition dagegen reagierte empört bis spöttisch auf die Kommunikationsprobleme der Regierung. „Weder außen- noch verteidigungspolitisch ist das hier hohe Staatskunst“, sagte der Abgeordnete Werner Hoyer von der FDP, die einen Bundeswehreinsatz in der Nähe Israels weiter ablehnt. Doch selbst wohlwollende Politiker, die einem Einsatz durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen, wie die grüne Außenpolitikerin Kerstin Müller, klagten nach der zweitägigen Informationsoffensive der Regierung, es gebe „mehr offene Fragen als vorher“.