Amerika entdeckt das Ökohaus

BAU Tausende Häuslebauer in den USA entscheiden sich für neue Energien und Wärmedämmung. Doch der Durchschnittsbürger ist weit von dieser Avantgarde entfernt

Nachhaltiges Bauen ist einer der wenigen Zweige im US-Bausektor, der wächst

AUS CHICAGO ULRICH SCHULTE

Beheizte Außenpools oder extragroße Garagen sind in den USA übliche Angebote von Baufirmen, um Käufer anzulocken. Das Unternehmen Energy Smart Home Builders plant jetzt in New Lenox, einem Vorort Chicagos, eine Siedlung, die ganz andere, umweltfreundlichere Reize bietet. Auf 132 Grundstücken sollen hier Nullenergiehäuser entstehen, die genauso viel Energie produzieren, wie sie verbrauchen. Die Häuser, die zwischen 400.000 und 500.000 Dollar kosten, werden mit einer Kombination aus Erdwärmeheizungen, Solarzellen und Windrädern ohne Zulieferung aus dem Stromnetz auskommen und so zur größten energieautarken Siedlung der USA werden.

In Zeiten stark steigender Energiepreise entscheiden sich auch an anderen Orten tausende Amerikaner für grüne Technologien, wenn sie ein neues Heim planen. Der Verband Alliance for Environmental Sustainability (AES) macht sich seit 2000 für Ökohäuser in den USA stark. „Nachhaltiges Bauen ist einer der wenigen Zweige im amerikanischen Bausektor, der wächst“, sagt AES-Sprecher Jason LaFleur. Auch Marie Coleman, Sprecherin des U.S. Green Building Council (USGBC), beobachtet, dass der Markt wächst. „Einerseits steigt das Umweltbewusstsein von Hausbesitzern in USA, andererseits rechen sich Leute pragmatisch aus, wie viel Energiekosten sie einsparen.“

Der USGBC ist der wichtigste US-Verband für umweltfreundliches Bauen mit 17.000 Mitgliederfirmen und -organisationen. Er hat mit dem sogenannten Leed-Programm das führende Bewertungssystem für Häuser in den USA entwickelt, das bestimmte Werte bei Wasser- und Energieeffizienz oder Luftqualität vorschreibt. Während ein amerikanischer Durchschnittshaushalt laut der US-Regierung 1.500 Dollar im Jahr für Energie ausgibt, müssen Leed-zertifizierte Bauten dies um 20 bis 30 Prozent unterschreiten. Im Februar 2008 gestartet seien heute bereits über 6.800 Häuser Leed-zertifiziert, sagt Coleman. Weitere knapp 24.000 Besitzer in spe haben sich registriert.

Die US-Umweltbehörde EPA hat 1992 das „Energy Star“-Programm gestartet, das Wirtschaft, Einzelhandel, aber auch private Hausbauer zu umweltfreundlichem Bauen einlädt. 2009 entsprachen eine Million Privathäuser den Kriterien, allein 100.000 entstanden im vergangenen Jahr. Die EPA lobt im Jahresbericht das „beeindruckende Wachstum und den fortwährenden Erfolg“ des Programms.

Doch trotz solch optimistischer Einschätzungen von Regierung und Lobbyisten bleiben die USA ein Land des konventionellen Bauens. Die Bundesbehörde für Statistik zählte im Jahr 2008 rund 129 Millionen Hauseinheiten, der Wohnungsmarkt in den USA ist nach wie vor überschwemmt mit günstigen konventionellen Angeboten. Für die Chicagoer Baufirma war das ein wichtiger Grund, auf grünes Bauen umzustellen. „Als die Rezession zuschlug, war es offensichtlich, dass wir nicht mit normalen Häusern überleben würden“, sagte Firmenchef Regan der Chicago Tribune.

Auch AES-Sprecher LaFleur glaubt nicht, dass der Trend zum grünen Bauen von der Situation des normalen Wohnungsmarktes beeinflusst wird. „Die Zielgruppe ist eine Avantgarde. Sie will gesünder leben, oft handelt es sich um einzelne, vom Besitzer mitgeplante Projekte.“

Nur deshalb werden aus seiner Sicht die meisten Häuser in der Chicagoer Siedlung tatsächlich ohne Energielieferung auskommen. „Bewohner, die einen durchschnittlichen amerikanischen Lebensstil pflegen, würden das propagierte Nullenergieziel nicht einhalten können.“