Zeig dein Herz!

Angolas Basketballer überzeugen bei der Weltmeisterschaft in Japan mit kompaktem und physischem Spiel. Morgen streiten sie sich mit dem deutschen Team um Vorrundenplatz zwei

AUS HIROSHIMA MARTIN FÜNKELE

Joaquim Gomes kann sich noch gut erinnern. Erst letztes Jahr hat der angolanische Basketball-Verband eine Regel in Kraft gesetzt, die es Cracks verbietet, Spiele unter freiem Himmel abzuhalten. „Davor kam das häufig vor. Wir spielten draußen auf Betonplätzen, auch in der Mittagssonne.“ Für den 26-jährigen Gomes liegt diese Zeit weit zurück, er hat geschafft, was nur ganz wenigen Angolanern gelang: Er ergatterte einen Job im Ausland, erst an der Universität von Valparaiso in den USA, dann bei RheinEnergie Köln und mittlerweile bei den Eifel Towers Amsterdam. „Egal wo du bist, egal wo du spielst: Du musst immer dein Herz zeigen, du weißt ja nie, was passiert.“ Diese Devise führte Gomes weg aus dem Land, das in 27 Jahren Bürgerkrieg über 600.000 Tote und mehr als eine Million Flüchtlinge zu beklagen hatte.

Mit derselben Einstellung gewann die angolanische Basketball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Japan zuletzt drei Spiele. Der nächste Gegner ist Deutschland (Donnerstag, 6 Uhr live auf DSF). Vor dem vermeintlichen Endspiel um Platz zwei der Gruppe B ist Gomes nicht Bange: „Deutschland gehört zu den Titelkandidaten, und sie sind sicher besser als wir. Aber wir denken jetzt nicht mehr ans Verlieren.“ Wie befreit der elfmalige Afrikameister spielt, war beim 93:75-Triumph über Neuseeland zu beobachten: Wenngleich die Athletik dominiert, gilt die Mannschaft von Trainer Alberto Carvalho als äußerst diszipliniert. „Ich bin sehr glücklich“, so Carvalho. „Meine Spieler haben hart gearbeitet und auf die Anweisungen der Trainer gehört.“ Nach ihren Siegen tanzten sie alle: Die handverlesenen angolanischen Fans, die Spieler, selbst die Trainer fielen sich wild gestikulierend um den Hals. Dasselbe taten Tausende in der Hauptstadt Luanda. „Dass dort alle Leute über Basketball sprechen und feiern, zeigt, wie wichtig der Sport ist“, sagt auch der Trainer der deutschen Mannschaft, Dirk Bauermann. „Es läuft so viel schief in Angola. Dass jetzt die Leute sehen, wie wir gewinnen, gibt ihnen hoffentlich Mut“, sagt Gomes. „Zu wissen, dass die Menschen im ganzen Land tanzen und glücklich sind, ist ein tolles Gefühl.“

Nach mehr als drei Jahrzehnten Krieg ist Angola, das ob seiner Ölreserven eines der potenziell reichsten Länder Afrikas ist, wirtschaftlich am Nullpunkt angelangt: Große Teile der Infrastruktur sind zerstört, und in den Krankenhäusern und Schulen herrscht Notstand. „Aber dafür gibt es sehr viele Basketballtalente in Angola“, weiß Gomes. Nur komme niemand, um sie zu sichten. „Die Talentspäher konzentrieren sich nur auf Nigeria und den Senegal.“ Die vier afrikanischen NBA-Spieler kommen aus diesen Ländern.

Zwar hat das Land knapp 13 Millionen Einwohner, professionelle Basketballer gibt es laut Gomes nicht mehr als 25. Die meisten spielen für Primero de Agosto Luanda, den Topklub. Die letzten sechs Meisterschaften gewann der Club, für den auch WM-Topscorer Eduardo Mingas (18 Punkte, 8,3 Rebounds) aufläuft. Außer Gomes spielt nur noch Abdel Aziz Boukar (San Jacinto College/USA) im Ausland. Das Team ist deswegen eingespielt. Ein anderes Erfolgsgeheimnis benennt er so: „Wir lieben Basketball. Fußball ist zwar die Nummer eins, aber da die immer verlieren, interessiert sich das ganze Land für uns.“ Ein Sieg der „Palancas Negras“ (Schwarze Hemden) über Deutschland bliebe nicht nur für Gomes unvergesslich.