„Wenn Israel nicht mehr schießt ...“

Europa solle insgesamt 9.000 Soldaten für die UN-Truppen im Südlibanon stellen, meint die italienische Regierung. Bedingung sei, dass Israel keine Angriffe mehr auf den Libanon verübe. Am Freitag wollen die EU-Außenminister beraten

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

Auch zwölf Tage nach dem Beschluss des UNO-Sicherheitsrates zur Aufstockung der UNO-Truppe Unifil von derzeit 2.000 auf 15.000 Soldaten ist nach wie vor offen, ob und wann tatsächlich zusätzliche internationale Truppenkontingente im Südlibanon stationiert werden. Unklar ist auch, ob der Sicherheitsrat zunächst mit einer zweiten Resolution das Mandat und vor allem die militärischen Einsatzregeln für die aufgestockte Unifil klarer festlegen muss.

In Brüssel wollen heute Diplomaten und Militärs der zehn EU-Staaten (Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, Polen Belgien Niederlande, Schweden Finnland und Deutschland), die der UNO bislang ihre grundsätzliche, aber an Bedingungen geknüpfte Bereitschaft zur Beteiligung an der Unifil signalisiert haben, erneut über die Rahmenbedingungen für eine Truppenentsendung diskutieren. Die politische Entscheidung über eine Beteiligung an der Unifil soll frühestens am Freitag fallen auf einer Sondersitzung der Außenminister aller 25 EU-Mitglieder, zu deren Einberufung Italien gestern die finnische EU-Ratspräsidentschaft „dringend“ ersucht hat.

Italiens Regierungschef Romani Prodi hatte am Montag gegenüber UNO-Generalsekretär Kofi Annan offiziell die Bereitschaft seines Landes erklärt, die Führung der aufgestockten Unifil zu übernehmen und bis zu 3.000 Soldaten zu entsenden. Außenminister Massimo d’Alema äußerte die Erwartung, dass andere EU-Länder zusammen „weitere 6.000 Soldaten zur Verfügung stellen werden“. Regierungschef Prodi knüpfte Italiens Angebot an die UNO allerdings an die Vorbedingung, „dass Israel nicht mehr auf Ziele im Libanon schießt“ und Auftrag und Einsatzregeln für die Unifil eindeutig festgelegt werden. „Wir brauchen mehr Klarheit, ein präzises Mandat, präzise Inhalte und eine sehr deutliche Definition der Allianzen“, forderte Prodi. Diese Forderungen, die auch von den anderen neun EU-Ländern geteilt werden, hatten dazu geführt, dass die französische Regierung ihr Angebot, 4.000 Soldaten zu entsenden und die Führung der Unifil im Südlibanon zu übernehmen, unter dem Druck der eigenen Streitkräfte wieder zurücknehmen musste.

Einen Vorschlag für die Einsatzregeln der Unifil (zum Beispiel zur Frage, unter welchen Umständen die UNO-Soldaten ihre Schusswaffen einsetzen dürfen) hatte der stellvertretende UNO-Generalsekretär Mark Malloch Brown bereits bei der ersten Konferenz von 43 potenziellen Truppenstellerländern am vergangenen Donnerstag vorgelegt. In dem 21-seitigen Papier sind jedoch die umstrittenen Fragen des Mandats der Unifil, insbesondere die Frage, ob die UNO-Truppe die Hisbollah-Milizen entwaffnen soll – nicht geklärt. Diese offenen Mandatsfragen kann nur der Sicherheitsrat verbindlich regeln. Je nachdem, wie diese Fragen schließlich beantwortet werden, ergeben sich daraus wiederum Konsequenzen für die Einsatzregeln und die Bewaffnung der Unifil.

US-Präsident George Bush forderte am Montag auf einer Pressekonferenz ein „robustes Mandat“ der Unifil „zur Entwaffnung der Hisbollah-Milizen“. Hierzu sei eine zweite Resolution des Sicherheitsrates „erforderlich“. Washingtons UNO-Botschafter John Bolton schwächte diese Erklärung später ab mit der Bemerkung, das Warten auf eine zweite Resolution, für deren Verabschiedung die Bush-Regierung „keinen Zeitrahmen“ habe, dürfe „nicht zu weiteren Verzögerungen bei der Verstärkung der Unifil führen“. Verbindliche Angebote zur Bereitstellung von insgesamt 4.400 Soldaten lagen der New Yorker UNO-Zentrale bis gestern weiterhin lediglich aus Bangladesch, Indonesien, Malaysia, Indien und Nepal vor. Gegen die Stationierung von Soldaten aus den islamischen Ländern Indonesien, Malaysia und Bangladesch hat die israelische Regierung allerdings Einspruch erhoben mit der Begründung, dass diese Länder keine diplomatischen Beziehungen zu Israel unterhielten.

Angesichts der vielen offenen Fragen und Hindernissen gehen UN-Diplomaten inzwischen davon aus, dass statt der vom Sicherheitsrat beschlossenen Aufstockung der Unifil um 13.000 Soldaten letzten Endes, wenn überhaupt, maximal 6.000 bis 7.000 zusätzliche Blauhelme im Südlibanon stationiert werden.