„Der Krieg hat den Widerstand gestärkt“

Die radikal-islamistische Hisbollah ist im Libanon so stark wie niemals zuvor. Sie wird sich weigern, die Waffen abzugeben

Anfang der Woche meldete sich wieder einmal Abdullah Safieddin aus Teheran zu Wort. „Hisbollah bleibt genau das, was sie immer war“, sagte der Hisbollah-Repräsentant der iranischen Tageszeitung Scharag, „der Krieg hat den Geist des Widerstands verstärkt. Wir erledigen unsere politische Arbeit, werden aber weiterhin auch unser Land verteidigen.“ Bereits während des Krieges hatte er Raketenangriffe bis nach Haifa prophezeit, und das zwei Tage vor der offiziellen Ankündigung seines Generalsekretärs Hassan Nasrallah.

Safieddins Statement zeigt, wie sich die Hisbollah die Zukunft vorstellt. Nach dem militärischen Erfolg über Israel, den die arabische Welt als historischen Sieg feiert, will Hisbollah größeren politischen Einfluss. „Sie wollen eine neue politische Identität“, erklärt auch Amal Saad-Ghorajeb, Hisbollah-Spezialistin der libanesisch-amerikanischen Universität in Beirut. „Einen Libanon ohne USA und Frankreich.“

Für Hisbollah ist das US-Projekt vom „Neuen Mittleren Ostens“ erledigt. „Der Libanon ist dafür kein Ort mehr“, versicherte Hassan Nasrallah unmittelbar nach Kriegsende. Washington habe die Zerstörung des Libanons vorangetrieben, Frankreich nicht genug für einen sofortigen Waffenstillstand getan. Der Krieg offenbarte das wahre Gesicht der „Verbündeten“ und sollte eine Warnung sein, sich nicht mehr mit ihnen einzulassen. Deutliche Worte für das antisyrische Bündnis, zu dem der Drusenführer Walid Dschumblatt, Saad Hariri mit seiner „Zukunftspartei“ sowie Premierminister Fouad Siniora gehören. Für sie ist die Hisbollah für den Krieg verantwortlich und muss entwaffnet werden. „Aber das hat nicht einmal Israel geschafft“, meint Saad-Ghorajeb. Sollte die Regierung tatsächlich darauf bestehen, würden die beiden Kabinettsmitglieder der Hisbollah ausscheiden und die Regierung zu Fall bringen.

Sinioras kritische Haltung gegenüber der Hisbollah kommt bei Schiiten kurz nach Kriegsende fast einem Verrat gleich. Nach neuesten Umfragen sollen 96 Prozent der rund 1,4 Millionen Schiiten, die etwa 40 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, Hisbollah unterstützen. Keine Überraschung, denn Hisbollah leistet genau das, was Regierungen gewöhnlich im Katastrophenfall versprechen, aber selten einhalten: Schnelle und unkomplizierte Hilfe. Mit Beginn des Waffenstillstands am 14. August um 8 Uhr morgens begann die Zivilabteilung der Miliz mit den Aufräumarbeiten und der Registrierung von Bewohnern der rund 30.000 zerstörten Wohneinheiten. Wer ein Haus hatte, bekommt 12.000 Dollar als Soforthilfe, für eine Wohnung gibt es 8.000. Bisher wurden etwa 5.000 Familien ausbezahlt. Gleichzeitig ziehen Hisbollah-Bautrupps durchs Land, die kostenlos renovieren und reparieren.

Hisbollah ist und bleibt ein Staat im Staat und für den schiitischen Teil der Bevölkerung schon immer eine existenzielle Notwendigkeit. Soziale und medizinische Versorgung sind billig und gut, ganz im Gegensatz zu staatlichen und privaten Einrichtungen. „Hisbollah ist stark wie nie zuvor“, sagt Saad-Ghorajeb, Autorin des Buches „Hisbollah – Politik und Religion“. „Sie werden ihre Waffen behalten und weiterkämpfen.“ Die Stationierung von UN-Truppen und der libanesischen Armee wird daran auch nichts ändern. Beide haben keinerlei Befugnisse, nach Waffen oder Bunkern der Hisbollah zu suchen. Die libanesische Armee hat traditionell gute Beziehungen zur Hisbollah. Etwa 40 Prozent der Soldaten sind Schiiten und sympathisieren mit der „Widerstandsbewegung“. Während des Krieges koordinierte Militär und Miliz im Süden den Widerstand gegen Israel. Es wird auf ein „Gentleman-Agreement“ hinauslaufen, wie es seit Jahren mit der UN-Truppe praktiziert wurde: Niemand mischt sich in fremde Angelegenheiten ein.

Eine Integration der Hisbollah in die Armee, wie sie noch vor dem Krieg in Erwägung gezogen wurde, „ist nun völlig ausgeschlossen“, bestätigt Amal Saad-Ghorajeb. „In einer Situation der Stärke gibt niemand freiwillig seine militärische Unabhängigkeit auf.“ Ganz abgesehen davon, würde die Hisbollah als Teil einer konventionellen Armee alle Vorteile ihrer Guerillataktik verlieren, auf der ihre militärischen Erfolge beruhen.ALFRED HACKENSBERGER