Konkurrenzmaschinenstürmer

RECHT AUF STADT Der Autor und Aktivist Christoph Twickel greift in seinem Buch „Gentrifidingsbums“ die unternehmerische Stadt an – und zeigt Wege heraus

Was in Twickels Buch fehlt, ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Scheitern

Hamburg steckt in einem Häuserkampf. Das Gängeviertel ist nur das prominenteste Beispiel für eine Bewegung, die sich unter dem Banner „Recht auf Stadt“ an allen Ecken und Enden gegen Aufwertung und Verdrängung wehrt. Christoph Twickel ist einer, der überall dabei ist, zu allem was sagt und gerne vorausprescht. Nachlesen lässt sich das jetzt in seinem Buch „Gentrifidingsbums oder Eine Stadt für alle“.

Als versierter Journalist hat Twickel das Buch nicht für jene geschrieben, die ohnehin im Thema drinstecken, sondern für alle, die dazustoßen wollen. Neues ist dem Buch folglich nicht zu entnehmen, das Alte aber ist gut und schwungvoll aufbereitet.

Das Kernstück des Buches ist die Analyse, wie Städte immer mehr als Unternehmen vermarktet werden. Sie verwandeln sich zu „Image-Cities“, die auf dem globalen Parkett um Investitionen buhlen, wobei Kunst und Kultur als weiche Standortfaktoren in den Dienst genommen werden. Lesenswert wird diese bekannte Geschichte durch die vielen Details, die Twickel zusammengetragen hat. So datiert er etwa den Startschuss für das „Unternehmen Hamburg“ auf den 29. November 1983 und zitiert aus einer Rede, die der damalige Erste Bürgermeister Klaus von Dohnanyi vor den Mitgliedern des Hamburger Überseeclubs hielt. Hamburg, heißt es da, dürfe nicht zu einer Stadt werden, „in der die sozial schwächeren zwar ihre Chance haben, aber die sozial Starken, also die Besserverdienenden, das heißt die kräftigeren Steuerzahler, sich abgewiesen fühlen“. Twickel resümiert: die alte europäische Stadt, die man als Integrationsmaschine beschrieben hat, „soll sich in eine Konkurrenzmaschine verwandeln“.

Mit „Gentrifidingsbums“ will Twickel auch zeigen, was sich gegen diese Entwicklung machen lässt. Das Buch beinhaltet ein langes Gespräch zwischen Aktivistinnen des Gängeviertels, in dem die Möglichkeit eines weichen Widerstands aufscheint. In einem Interview mit dem Künstler und Aktivisten Christoph Schäfer wiederum ist von einer Stadtentwicklung von unten die Rede, bei der die Anwohner selbst jenseits runder Tische tätig werden. Gelungen ist das etwa, als mit dem Parc-Fiction auf St. Pauli verhindert werden konnte, dass die Elbe verriegelt wird.

Was fehlt, ist allerdings die Auseinandersetzung mit dem eigenen Scheitern. Wieso etwa hat es nicht geklappt, die Anwohner in Altona für die Frappant-Pläne zu begeistern? Wieso stimmten in einem Bürgerentscheid dort deutlich mehr Anwohner für Ikea als für die Pläne der Recht-auf-Stadt-Bewegung? Dazu hätte man von einem ihrer Protagonisten durchaus Antworten erwarten können. Vielleicht auch selbstkritische. MAP

„Gentrifidingsbums“ (Nautilus), 128 S., 9,90 Euro. Twickel liest daraus am Dienstag, den 14. September um 20 Uhr im Buchladen in der Osterstraße, Osterstraße 171