Den Leuten erzählen, was sich verändert

BESUCH DES PRODUZENTEN Jim Kenyanya berichtet in Deutschland über die Arbeit seiner Kooperative in Kenia

„Alles, was wir bisher geschafft haben, geschah aus Eigeninitiative“

JIM KENYANYA

VON MARINA WETZLMAIER

Seit seiner frühen Kindheit ist Jim Kenyanya mit dem Schnitzen von Speckstein vertraut. So wie alle, die in Tabaka leben, einer Kleinstadt im Südwesten von Kenia. „Es ist eine Tradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wird“, erklärt Kenyanya. „Meine Eltern und Großeltern waren bereits Steinschnitzer.“

Der 40-jährige Familienvater kennt alle Eigenschaften des Steins, schwärmt von dessen weicher Struktur und seinen vielen Farben, die von Blau über Grün bis Rot reichen. Doch der Speckstein ist nicht nur eine Leidenschaft, er ist vor allem die Lebensgrundlage von rund 15.000 Menschen, die in der Region rund um Tabaka leben.

Jim Kenyanya ist der Geschäftsführer von Smolart, einer Handwerkerkooperative, die Schnitzereien aus Speckstein für den fairen Handel produziert. Im September wird er im Zuge der Fairen Woche Deutschland besuchen, um das Projekt vorzustellen und um über die Bedeutung des fairen Handels zu sprechen. „Ich möchte den Leuten erzählen, wie der faire Specksteinhandel das Leben der Menschen in meiner Heimat verändert hat“, sagt Kenyanya. Die Abkürzung Smolart steht für „Small, Medium or Large Art“. 1990, als das Projekt auf die Beine gestellt wurde, waren noch vierzig Künstler beteiligt gewesen. Mittlerweile sind zweihundert Familien Mitglied dieser Selbsthilfegruppe. 60 Prozent der Beschäftigten sind Frauen. Es herrscht eine klare Arbeitsteilung: Während die Männer den Stein aus dem Steinbruch schlagen, zersägen und schnitzen, sind die Frauen dafür zuständig, die Skulpturen zu schleifen und zu bemalen. Neben abstrakten Figuren und Tieren fertigen die Kunsthandwerker auch Gebrauchsgegenstände wie Schalen und Vasen. 90 Prozent der Produkte werden im fairen Handelsnetz vertrieben, der Rest kommt auf den lokalen Markt.

Er selbst verstehe das Handwerk sehr gut, meint Kenyanya. Schnitzer wurde er dennoch nicht. „Ich wollte mehr tun“, erzählt Kenyanya „Ich wusste, dass wir in unserem Ort etwas verändern mussten, dass wir Dinge besser machen konnten.“ Nach der Schule studierte er Betriebswirtschaft, eine Ausnahme unter den Einwohnern von Tabaka. Danach bewarb er sich bei Smolart – aus der Überzeugung heraus, durch seine Arbeit etwas verändern zu können.

Ziel der Organisation ist es, den Menschen eine bessere Lebensgrundlage zu ermöglichen, indem sie für ihre Arbeit gerecht entlohnt werden. Immerhin wird jeder Arbeitsschritt vor Ort durchgeführt, von der Steingewinnung bis zum Verpacken und Verschicken der fertigen Produkte. Dabei soll nicht nur der einzelne Künstler profitieren, sondern die erzielten Gewinne werden auch in Gemeinschaftsprojekte investiert. „Alles, was wir bisher geschafft haben, geschah aus Eigeninitiative“, betont Jim Kenyanya mit Stolz in der Stimme. „Wir bekommen keine Unterstützung von außen, weder von der Regierung noch von NGOs.“ Die Mitglieder von Smolart wollen unabhängig sein und selbst für das Wohl ihrer Gemeinschaft sorgen. Denn Smolart ist vor allem ein Geschäftsmodell – eines, das im Zeichen der Solidarität steht.

Viele, die in der Kooperative arbeiten, hätten keine Chance, im regulären Arbeitsmarkt unterzukommen. Nicht nur angesichts einer landesweiten Arbeitslosenrate von etwa 40 Prozent. Auch die geografische Lage erschwert den Zugang zur Arbeit: Der Ort Tabaka liegt im ländlich geprägten Distrikt Kisii, 400 Kilometer von der Hauptstadt Nairobi entfernt. Die Kunsthandwerker waren zuvor oft in der Landwirtschaft tätig, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. „Die Armut auf dem Land ist sehr hoch“, weiß Kenyanya. Das Einkommen der Familien reichte oft nicht aus, um die Kinder in die Schule schicken zu können.

Ein Grund, warum die Mitglieder von Smolart vor allem in die Bildung investieren. „Viele Familien können sich bereits das Schulgeld leisten. Außerdem haben wir in Tabaka eine kleine Bibliothek eingerichtet“, schildert Kenyanya die ersten Erfolge.

Auch andere Programme wurden initiiert: ein Umweltschutzprogramm, bei dem im öffentlichen Raum Bäume gepflanzt werden, und ein Wasserprogramm, durch das die Versorgung mit sauberem Wasser gesichert werden soll. Fließendes Wasser zu haben war in Tabaka keine Selbstverständlichkeit.

Als Vertriebs -und Marketingleiter ist Jim Kenyanya viel unterwegs: auf Fairtrade-Konferenzen in Kairo und in den USA beispielsweise oder auf Messen, wie 2008 in Frankfurt. Er kümmert sich vor allem um den Kontakt zu den Handelspartnern, wie etwa dem deutschen Freihandelsimporteur El Puente.

Seiner Heimat bleibt Kenyanya dennoch verbunden: „Ich fühle mich dort, wo ich geboren bin, einfach am wohlsten“, sagt er. Mit seiner Familie wohnt er zwar in Kisii, der Hauptstadt des gleichnamigen Distrikts, aber jeden Morgen pendelt er in das benachbarte Tabaka, wo er sein Büro hat. Seit dreizehn Jahren arbeitet er bei Smolart, und er möchte sich auch weiterhin für den fairen Handel engagieren.