Ende der Vorstellung

KINDERZIRKUS Der Friedrichshainer Standort des Mitmachzirkus Cabuwazi ist in Gefahr: Die Post AG hat das Gelände am Postbahnhof verkauft. Bezirk und Zirkusbetreiber werfen sich gegenseitig Untätigkeit bei der Suche nach neuem Standort vor

■ In einem Kreuzberger Hinterhof hatten 1992 ein paar Jugendliche Spaß beim Einradfahren: Als „Kreuzberger Einradchaos“ trat man bei Straßenfesten auf. Ein Jahr später gründete sich die Initiative Kinder und Jugendzirkus.

■ Schulen können den Zirkus für Projektwochen anfragen. Außerdem gibt es Ferienangebote und verschiedene Workshops.

■ Standorte sind Altglienicke, Friedrichshain, Kreuzberg, Marzahn und Treptow. Cabuwazi finanziert sich über Spendengelder sowie Projektmittel und wird durch das Senatsprogramm Soziale Stadt und den Europäischen Strukturfonds gefördert. Im Netz: www.cabuwazi.de (taz)

VON ANNA BORDEL

Wie Puppen stehen die Grundschülerinnen hinter großen Bällen, die Arme in die Luft gestreckt, manche posieren wie Ballerinas. Eine junge Frau eilt zwischen ihnen umher, rückt ihre Position zurecht. Dann setzt die Musik ein, die Mädchen steigen auf die Bälle und formen – auf ihren Sportgeräten balancierend – einen Kreis: Eine Schülergruppe übt im Friedrichshainer Probenraum des Kinderzirkus Cabuwazi am Postbahnhof für den Auftritt in der Manege in einem der beiden Zelte, die direkt davor auf dem Gelände stehen.

Neben dem Postbahnhof kann der Zirkus allerdings nicht bleiben: Cabuwazi hatte das Gelände fünf Jahre lang pachtzinsfrei von der Post AG gemietet. Das Unternehmen hatte das Areal bereits im vergangenen Jahr an ein Immobilienunternehmen verkauft und dem Zirkus zu Ende November 2013 gekündigt. Wann der Zirkus seine Zelte abbrechen muss, wird der neue Eigentümer zu klären haben.

Der Kinderzirkus Cabuwazi hat fünf Standorte in Berlin, dieses Jahr feiert er 20-jähriges Bestehen. 2.000 Kinder nutzen das kostenlose Angebot des Zirkus nach eigenen Angaben allein am Standort Friedrichshain. „Zu uns kommen vor allem Kinder, die nicht nachmittags zum Geigenunterricht oder zur Reitschule gehen“, sagt Kaspar Denker, Cabuwazi-Leiter in Friedrichshain. „Es sind Kinder, bei denen sich die Eltern gar nicht dafür interessieren, was sie nach der Schule machen.“ Im Cabuwazi gibt es Akrobatik- und Jonglierkurse, Workshops in Trampolinspringen oder Trapezturnen.

Die Zeit drängt

Noch finden diese Kurse weiter statt – der Umzug drängt trotzdem: Der neue Inhaber, die NDC Real Estate Management GmbH, melde sich jede Woche, um sich nach dem Stand der Grundstückssuche zu erkundigen. „Im Moment haben wir aber kein konkretes Angebot für eine neue Fläche“, sagt Denker. Die NDC Real Estate äußerte sich der taz gegenüber nicht.

Der Kinderzirkus in der Nähe des Ostbahnhofs befindet sich in illustrer Nachbarschaft: Da ist die East Side Gallery, da sind denkmalgeschützte Gebäude wie der alte Postbahnhof und das markante Hochhaus von Mercedes Benz. Noch steht Cabuwazi direkt auf dem ehemaligen Todesstreifen der Berliner Mauer, der an dieser Stelle noch weitgehend unbebaut ist. Dieses und andere Areale in unmittelbarer Nähe zur Spree gehören als mögliche Gewerbeflächen zu den attraktivsten Bauflächen Berlins: 1.200 Euro kostete laut Bodenrichtlinienwerten der Stadt Berlin im vergangenen Jahr der Quadratmeter.

Der Friedrichshainer Standort des Cabuwazi muss nicht zum ersten Mal umziehen: Bevor er auf das Gelände der Post AG kam, stand das Zelt auf einer bezirkseigenen Fläche direkt an der Spree, musste 2008 aber dort wegziehen, weil der Bezirk die Fläche im Rahmen der Pläne zur Mediaspree begrünen musste. Zirkus, Bezirk und Post AG hatten sich damals auf die Zwischenlösung am Postbahnhof geeinigt, der Bezirk habe sich um eine langfristige Möglichkeit kümmern wollen, sagt Denker. Das sei bislang nicht geschehen.

Damit nun Bewegung in die Sache kommt, bat der Cabuwazi den Regierenden Bürgermeister sowie den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg um ein geeignetes Gelände. Bezirksstadtrat Hans Panhoff sagte der taz: „Wir haben dem Kinderzirkus Möglichkeiten vorgeschlagen. Ich glaube, die haben sich die noch nicht mal angesehen.“ Außerdem müsse sich der Zirkus auch selbst um geeignete Standorte kümmern.

Die Post AG lehnte einen höher bietenden Kaufinteressenten ab, der den Erhalt des Zirkus garantiert hätte

„Dass Herr Panhoff uns konkrete Angebote gemacht hat, stimmt nicht“, sagt allerdings Kaspar Denker. Vor einem Monat habe man sich mit Panhoff zusammengesetzt, da habe dieser nur vage Andeutungen gemacht. „Er hat gesagt, man könnte über ein Gelände am Ostkreuz nachdenken. Wo das genau ist, wie groß es ist und ob es da einen Wasseranschluss gibt, hat er nicht gesagt.“

Panhoff hätte zudem über ein Gelände im Bezirk Pankow gesprochen. „Wir arbeiten hier in einem Brennpunktkiez“, ärgert sich Denker, „und haben in all den Jahren ein starkes Netzwerk zu den umliegenden Schulen aufgebaut.“ Hinter dem Ostbahnhof gebe es sonst kein kostenloses Freizeitangebot für Kinder. Und doch räumt er ein, dass der Zirkus lieber nach Pankow ziehe, als gar keinen neuen Standort zu haben. Wo genau das Gebiet in Pankow jedoch liegen solle, habe Panhoff nicht gesagt.

Dass die Post AG das Grundstück verkauft, findet Denker nicht weiter überraschend. Ärgerlich sei aber, dass die Post AG einen Käufer für das Grundstück zurückwies, der den Erhalt des Zirkus garantierte. Der Eigentümer des Veranstaltungsorts Postbahnhof machte laut Unterlagen, die der taz vorliegen, der Post AG im November 2013 ein Kaufangebot, das über dem der NDC Real Estate Management GmbH lag. Dennoch wurde aus dem Geschäft nichts, weil Postbahnhofeigentümer und die Post AG in Streitigkeiten über die Baugenehmigung eines Hotels auf einem anliegenden Grundstück gerieten.

Baubeginn für das neue Gebäude von NDC Real Estate sei im Herbst 2014, sagt Denker. Wenn sie bis zum Sommer keinen neuen Standort fänden, stünde man in Friedrichshain vor dem Aus.