„Skeptisch, ob Private billiger sind“

Die Abwässer in Berlin sind schon privatisiert – mit verheerenden Folgen, sagt der Geograph Matthias Naumann

taz: Herr Naumann, welche Erfahrungen haben Sie bei der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) gemacht?

Matthias Naumann: Bei den Untersuchungen unseres Instituts haben wir herausgefunden, dass sich die Preise der Berliner Wasserbetriebe in den Jahren nach der Privatisierung um rund 21 Prozent erhöht haben. Beschäftigtenzahlen und teilweise auch die Investitionen gingen bereits vor der Privatisierung im Zuge der Kommerzialisierung des Unternehmen zurück.

Können Private die versprochenen Einsparungen realisieren, um die neue Umsatzsteuerbelastung auszugleichen?

Grundsätzlich bin ich sehr skeptisch, ob die Privaten signifikant billiger sein können, da die Fixkosten in der Wasserwirtschaft bis zu 85 Prozent ausmachen. Einen direkten Zusammenhang zwischen niedrigen Gebühren und privaten Betreibern gibt es sicher nicht: So konnten kommunale Wasserversorger im Berliner Umland ihre Gebühren im letzten Jahr teilweise senken.

Können die Kommunen sich überhaupt durch einen möglichen Verkauf entschulden?

Auf jeden Fall sind Privatisierungen nur eine kurzfristige Entlastung kommunaler Haushalte. Außerdem gehen so kommunale Einflussmöglichkeiten in der Wasserwirtschaft verloren. Es geht auch kommunales Wissen verloren, was sich nicht ohne weiteres zurückholen lässt. Der Fall Berlin zeigt sehr deutlich, dass durch die Vertragsgestaltung, die den Privaten eine festgesetzte jährliche Rendite garantiert, die Finanzsorgen des Landes Berlin nicht gelöst worden sind. Im Gegenteil: Im Zweifelsfall muss das Land Geld dazu schießen.

Könnte die Privatisierung durch ihre ökonomische Ausrichtung eine Auswirkung auf die Qualität der Abwasserentsorgung haben?

Bislang gibt es in Deutschland keine Erkenntnisse dafür, dass sich in privatwirtschaftlich geführten Wasserbetrieben die Qualität verschlechtert hat.

Also ist Privatunternehmen von vorne herein kritisch zu begegnen? Kritisch ist der einseitigen Ausrichtung von Ver- und Entsorgungsunternehmen auf betriebswirtschaftliche Effizienz zu begegnen - diese Entwicklung betrifft aber auch kommunale Unternehmen.

Welchen Ratschlag würden Sie aufgrund ihrer Berliner Erfahrungen NRW geben?

Kommunen stehen grundsätzlich vor der Entscheidung, ob sie ihre Wasserbetriebe als Mittel zur Deckung von Haushaltslöchern begreifen oder mit Wasserver- und Abwasserentsorgung über betriebswirtschaftliche Ziele hinaus politische Ziele des Allgemeinwohls verfolgen möchten. Darunter sind neben der weiteren Sicherstellung der bislang hohen Qualität, sozialverträgliche Gebühren, anständige Beschäftigungsbedingungen und ein vorsorgender Ressourcenschutz zu verstehen.

INTERVIEW: M. HENDORF