Land will kiebitzen

Nach den Anschlägen auf Regionalzüge will Innenminister Ingo Wolf (FDP) Verfassungsschützern erlauben, private Emails zu lesen. Opposition kritisiert den Gesetzesentwurf als verfassungswidrig

VON KATHARINA HEIMEIER

Wenige Wochen nach den gescheiterten Anschlägen von Kofferbombern auf Regionalbahnen hat Innenminister Ingo Wolf (FDP) einen Gesetzesvorschlag zur Erweiterung der Überwachungsmöglichkeiten des Verfassungsschutzes vorgelegt. Der Entwurf sieht unter anderem „offensive Internetmaßnahmen“ gegen extremistische Bestrebungen vor. „Als verantwortlicher Innenminister möchte ich für die Sicherheit unseres Landes wissen, welche Extremisten sich Anleitungen zum Bombenbauen aus dem Internet ziehen und wer in verdeckten Chatrooms über geeignete Anschlagsziele diskutiert“, sagte Wolf gestern im Düsseldorfer Landtag. Der Gesetzesvorschlag beinhaltet, dass der Verfassungsschutz auf Festplatten gespeicherte Emails lesen darf. Er soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden.

Mit der Entdeckung der beiden Sprengsätze in den Regionalbahnen – einer war im NRW-Express gefunden worden – hat sich nach Aussage von Wolf bestätigt, dass „Deutschland nicht nur Ruhe- und Rückzugsraum für islamistische Terroristen, sondern Teil eines weltweiten Gefahrenraumes“ ist.

Die Grünen warfen Wolf vor, dass er die Bedrohung durch Terrorismus zu einer Erweiterung der Kompetenzen des Verfassungsschutzes nutze. „Was nach dem 11. September 2001 an zusätzlichen besonderen Befugnissen geschaffen wurde, wird durch die Hintertür zum Standardinstrument des Verfassungsschutzes – zu Lasten der Bürgerrechte“, sagte Monika Düker, die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion. Der Zugriff auf private Rechner verletze den Kernbereich der Privatssphäre. „Mit diesem Gesetzesentwurf verlässt die Regierung eindeutig den Boden der Verfassung“, sagte Düker.

Auch die SPD bezeichnete die Gesetzesnovelle als „offenkundig verfassungswidrig“. Der Innenexperte der SPD-Landtagsfraktion, Karsten Rudolph, warf der Landesregierung vor, die Trennung zwischen Verfassungsschutz, Geheimdiensten und Polizei aufzuheben.

Die Gesetzesnovelle soll nach dem Willen der Regierungspartei bei der Fahndung nach einer neuen Generation von Terroristen helfen, die unauffälliger und daher schwerer zu entlarven ist. Nach Ansicht von Horst Engel, innenpolitischer Sprecher der FDP, handelt es sich um im Westen lebende, gut integrierte, junge Moslems, die aufgrund aktueller weltpolitischer Entwicklungen oder unter dem Einfluss bestimmter Gruppierungen radikalisiert würden. Sie würden aber keiner Organisation angehören und könnten daher vom Verfassungsschutz nur schwer erkannt werden.

Unterdessen hat das Land NRW damit begonnen, verdächtige Islamisten auszuweisen. Eine Person ist nach Angaben von Wolf bereits abgeschoben worden. Eine Sicherheitskonferenz im Innenministerium prüft das Aufenthaltsrecht von so genannten „islamistischen Gefährdern“.