„Wir sind nicht die einzigen“

DISKUSSION Der Israeli Reuven Moskovitz spricht über die Friedenschancen im Nahen Osten

■ 85, überlebte in Rumänien den Holocaust und wanderte 1947 ins britische Mandatsgebiet Palästina ein. Später studierte er Geschichte. 2003 erhielt er den Aachener Friedenspreis.

taz: Herr Moskovitz, während Ihres Vortrages im Überseemuseum soll es eine Mahnwache der Gruppe „I like Israel“ geben. Überrascht Sie das?

Reuven Moskovitz: I like Israel, too – nur bin ich der Auffassung, dass die Juden nicht das einzige Volk mit dem Recht sind, in dieser Region zu leben. Die Mahnwache überrascht mich nicht. Es gibt sehr viele, die nicht hören und wissen wollen, was wir seit nunmehr 67 Jahren mit den Palästinensern machen.

Die Leute von der Mahnwache gehören zur jüdischen Gemeinde. Für die ist es naheliegend, sich mit Israel zu solidarisieren.

Ich würde mir wünschen: Solidarisiert euch mit unserem Recht, aber nicht mit unserem Unrecht. Ich bin kein Verleumder meines Volkes, aber ich sage: Wir haben nicht das Recht, ein anderes derart zu benachteiligen. Wir sollen leben und leben lassen.

Dass auf dem Roten Meer gerade ein Schiff mit Raketen für Gaza aufgebracht wurde, zeigt doch aber, dass es reale Bedrohungen gibt?

Natürlich, Bedrohung ist ja keine Einbahnstraße. Allerdings sind schon zehn mal mehr Palästinenser durch israelische Waffen umgekommen als umgekehrt.

Ist nicht historisch klar, dass Israel ein ungeheures Sicherheitsbedürfnis hat?

Ich will das Existenzrecht Israels doch nicht bestreiten, es umfasst ja meine eigene Existenz. Aber wegen unserer Vergangenheit können wir nicht die Gegenwart eines anderen Volkes negieren. Die Palästinenser sind ebenfalls Opfer des Holocaust, weil diese Schuld vor allem die Deutschen davon abhält, das in Palästina begangene Unrecht wirklich wahrzunehmen.

Was folgt für Sie daraus?

Solidarität mit Israel müsste auch heißen, die selbstmörderische Politik der Regierung zu kritisieren. Denn die gefährdet unsere Zukunft am stärksten. Israel hat fast alle Kriege gewonnen, aber den Frieden verloren.

1967 gehörten Sie selbst zu den Soldaten, die die Westbank erobert haben.

Ja. Und ich war ein sehr trauriger Sieger.  INTERVIEW: HENNING BLEYL

Vortrag und Mahnwache: 19.30 Uhr, Übersee-Museum