Aktenzeichen DIW ungelöst

VORWÜRFE Das Wirtschaftsforschungsinstitut tut sich schwer, Konsequenzen aus der Affäre um verschwendete Steuergelder zu ziehen. Präsident wird entmachtet, bleibt aber im Amt

„Man hätte DIW-Chef Zimmermann sofort ablösen sollen“

OLIVER SCHROUFFENEGER, GRÜNE

VON TARIK AHMIA

Bis zu 7 Millionen Euro öffentlicher Gelder soll das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) verschwendet haben. Das beanstandete der Landesrechnungshof Berlin im Dezember 2009 in einem Gutachten. Die Summe entspricht mehr als der Hälfte des jährlichen Budgets von etwa 13 Millionen Euro. Erst zehn Monate später zieht das DIW nun erste Konsequenzen: Am Donnerstag beschloss das Kuratorium des DIW eine neue Satzung, die die Macht des umtriebigen DIW-Chefs Klaus Zimmermann beschneiden soll. Künftig soll ein neuer Geschäftsführer für administrative Fragen zuständig sein.

Gegen den DIW-Präsidenten hatte die Staatsanwaltschaft im Februar ein Ermittlungsverfahren eingeleitet – Verdacht der Untreue. Über Jahre soll Zimmermann Aufträge für Dienstleistungen ohne die vorgeschriebenen europaweiten Ausschreibungen vergeben haben. Beraterverträge sollen teils ohne schriftliche Fixierung zustande gekommen oder aus unzulässigen Töpfen finanziert worden.

Auch bei „offenkundiger Interessenkollision“ habe Zimmermann, der ebenfalls Direktor des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit ist, öffentliche Gelder ausgegeben, kritisiert der Rechnungshof. Beispielsweise für die von ihm selbst mitgegründete US-Organisation DIW D.C. Bis 2009 logierte das eigenständige Institut in Washington unentgeltlich in einer 170-Quadratmeter-Suite, die Mietkosten – mehr als 300.000 Euro – übernahmen die Berliner, die DIW D.C. auch noch mit Aufträgen in einem Volumen von über 600.000 Euro versorgten. Beides ist aus Sicht der Rechnungsprüfer unzulässig. Zimmermann habe zudem im Jahr 2007 den Umzug des DIW aus seinen eigenen Räumen im Stadtteil Berlin-Zehlendorf in angemietete Räume im Regierungsviertel veranlasst. Kosten: 1 Million Euro. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Sparsamkeit, so der Rechnungshof.

Die mutmaßliche Misswirtschaft kam erst nach jahrelanger Verzögerung ans Licht. Die Berliner Senatsverwaltung war ihrer Pflicht, die Ausgaben des DIW innerhalb von neun Monaten zu prüfen, nicht nachgekommen. Seit 2005 hatte sie die Bücher des DIW nicht mehr kontrolliert.

„In Einzelfällen kann es vorkommen, dass es bei den Prüfungen durch die Senatsverwaltung zu Verzögerungen kommt“, sagt Martin Sand, Sprecher des Berliner Wissenschaftssenats. Die Versäumnisse blieben bislang folgenlos. „Das ist bei der Wissenschaftsverwaltung keine Ausnahme“, kritisiert Oliver Schrouffeneger, haushaltspolitischer Sprecher der Berliner Grünen. „Es gibt weitere große Zuwendungsempfänger, die jahrelang nicht geprüft wurden.“ Schrouffeneger fordert das DIW auf, die vom Rechnungshof bemängelten Beträge komplett zurückzuzahlen.

Seit dem Bericht des Rechnungshofes im Dezember hat die Senatsverwaltung bislang erst die Prüfung des Jahres 2005 abgeschlossen, bestätigt Sand. Dem Vernehmen nach ergibt sich aus der Teilprüfung 2005 eine Rückforderung von etwa 150.000 Euro an das Institut. „Aus Sicht des DIW haben sich 98 Prozent der vom Rechnungshof als kritisch angesehenen Ausgaben als korrekt erwiesen“, sagte DIW-Vize-Chef Alexander Kritikos der taz.

Da die Prüfung der Folgejahre von 2006 bis 2009 jedoch noch aussteht, wird sich der Gesamtsumme der Rückforderungen wohl noch erhöhen. Klarheit dürfte frühestens Anfang 2011 herrschen. Mit einschneidenden Konsequenzen für das DIW und seinen Chef Zimmermann rechnet Schrouffeneger inzwischen nicht mehr: „Es wäre angemessen gewesen, Zimmermann sofort abzulösen.“ Der Zeitpunkt sei verpasst. „Nun soll die Affäre schrittweise beerdigt werden.“