Internationaler Giftmüll tötet in Afrika

Mit griechischem Schiff und niederländischer Transportfirma kamen die Chemie-Abfälle, durch die in der Elfenbeinküste bislang drei Menschen gestorben und 1.500 erkrankt sind. Regierung tritt im Zusammenhang mit dem Umweltskandal zurück

„Einen Müllskandal von diesem Ausmaß gab es noch nie“, sagt GTZ-Experte Schimpf

VON HANNA GERSMANN
UND DOMINIC JOHNSON

Die Müllschieber kamen in der Nacht. Sie luden ihren giftigen Dreck auf mindestens neun Kippen in Abidjan ab, der Hauptstadt der Elfenbeinküste. Bisher kostete das drei Menschen das Leben. 1.500 Menschen sind erkrankt. Am Mittwochabend reichte Ministerpräsident Charles Konan Banny den Rücktritt des gesamten Kabinetts ein.

Es ist das erste Mal, dass eine nationale Regierung im Zusammenhang mit einem Umweltskandal zurücktritt. „Die Lage ist ernst und erfordert eine ernste Antwort“, sagte Banny. Banny war erst im Dezember als neutraler Chef einer Allparteienkoaliton von internationalen Vermittlern eingesetzt worden. Die Übergangsregierung sollte das Bürgerkriegsland Elfenbeinküste bis zum Oktober zu freien Wahlen führen. Doch rivalisieren nach wie vor Rebellen im Norden mit der Regierung, die den Süden kontrolliert.

„Einen Müllskandal von diesem Ausmaß gab es noch nie“, sagt Wolfgang Schimpf von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Der Experte berät Staaten, die Probleme mit giftigen und gefährlichen Abfällen haben.

Der Giftmüll kam am 18. August an Bord des Frachtschiffs „Probo Koala“ im Ölterminal des Hafens von Abidjan an. Eine niederländische Transportfirma hatte das Containerschiff gemietet, es fährt unter panamaischer Flagge und ist in griechischem Besitz. Die ivorische Firma „Tommy“ beantragte bei den Hafenbehörden, den Frachter gründlich reinigen und die Abfallprodukte entsorgen zu dürfen. Sie bekam die Erlaubnis. Am 22. August fuhr die „Probo Koala“ wieder aus Abidjan ab.

Zurück blieben, so haben ivorische Journalisten rekonstruiert, 528 Tonnen hochgiftiger Sondermüll, teils schwarzer Schleim. Die Entsorgungsfirma ließ ihn an neun Orten in der Vier-Millionen-Metropole Abidjan abladen, teils kippten sie ihn in die offene Kanalisation.

Der Müll enthält Chlorpodukte und soll einen hohen Gehalt an Schwefelwasserstoff haben. „Dieses Gas ist sehr giftig“, sagt Joachim Wuttke vom Umweltbundesamt. „Es entsteht bei unkontrollierten Reaktionen“, sagt der Abfallexperte. Die Anwohner in Abidjan bemerkten die Folgen meist erst, als ihnen vom stechenden Geruch übel wurde. Bald darauf setzten Atemnot, Nasenbluten, Durchfall und Kopfschmerzen ein. Hühner und andere Kleintiere kippten tot um.

Die Oppositionsparteien machen die Regierung für den Skandal verantwortlich. Sie behaupten, Getreue des Staatschefs Gbagbo hätten bis zu 26 Millionen Euro Schmiergeld kassiert. Und die Firma „Tommy“ – erst im Juli gegründet – stehe dem Transportminister der Elfenbeinküste mit dem schönen Namen Innocent Anaky nahe.

Fünf andere westafrikanische Länder hätten die „Probo Koala“ abgewiesen. Auch Interpol soll vor dem Schiff gewarnt haben.

Giftmüll wird kreuz und quer durch die Welt gekarrt. Dabei sollten die internationalen Schiebereien längst Vergangenheit sein. Schon seit 1989 gilt die Baseler Konvention, nach der Giftmüll nicht einfach von Land zu Land transportiert werden darf. Die Ausfuhr von gefährlichen Abfällen muss genehmigt werden. Knapp 170 Staaten haben das Abkommen mittlerweile unterzeichnet. In der EU ist jeder Export verboten.

Doch das illegale Geschäft ist lukrativ. Wer abgelaufene Ackergifte, verseuchten Klärschlamm oder kontaminierten Elektroschrott ins Ausland karrt, spart sich die aufwendige Entsorgung zuhause. Die sei nämlich teuer, sagt GTZ-Experte Schimpf. „Sie müssen bis zu 2.500 Euro zahlen, um eine Tonne Pestizide zu entsorgen.“ Vorausgesetzt, alles geht mit rechten Dingen zu: Der übliche Weg von gefährlichen Abfällen endet hierzulande in der Sondermüllverbrennungsanlage.

Vor Abidjans Universitätsklinik hängt nun seit Tagen ein Transparent – mit der Aufschrift „Hier Giftberatung“.