Machtpolitiker Gottes

Reinhard Marx war schon länger der mächtigste Mann in der katholischen Kirche Deutschlands. Der 60-Jährige leitet als Erzbischof das einflussreiche Bistum München und Freising, ist Präsident der EU-Bischofsversammlung und im deutschen, europäischen und römischen Katholizismus sehr gut vernetzt. Marx, geboren 1953 im westfälischen Geseke, wuchs als Sohn eines Schlossermeisters auf. Bis heute ist ihm die Nähe zum Arbeitermilieu und zu Westfalen in seiner Sprache und seinem sozialpolitischen Ideen anzumerken. Marx ist Mitglied von Borussia Dortmund und ein Verfechter der katholischen Soziallehre, die den Vorrang des Faktors Arbeit vor dem Kapital fordert. Im taz-Interview sagte er im Februar: „Eine Wirtschaft, die allein auf Kapitalverwertungsinteressen aus ist, kann sittlich nicht gut sein.“

Ein Revoluzzer ist Marx deshalb noch lange nicht. In der kirchlichen Hierarchie stieg er mit dem Mainstream auf und zeigte sich kaum als Reformer. Als Bischof in Trier maßregelte er den Pfarrer Gotthold Hasenhüttl, der es gewagt hatte, auf dem ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003 öffentlich das Abendmahl mit Protestanten zu feiern. Die Mischung aus konservativer Theologie und progressiven Wirtschaftsideen machten ihn zu einem wichtigen Exponenten der katholischen Kirche. Seine Dienstwohnung ist das barocke Erzbischöfliche Palais in der Münchner City. Privat wohnt er allerdings in einem Seitenflügel des Gebäudes auf 90 Quadratmetern. B. Pötter