„Mit den Untiefen der Prekarisierung lässt sich schwer Selbstkritik betreiben“

VERLAGE (II) b_books wurde 1996 in Berlin als Buchladen, Veranstaltungsort und Verlag gegründet. Bis heute debattiert und publiziert das Projekt Texte zur politischen Theorie, Urbanismuskritik und Queer Theory

„Gerade beobachten wir, wie diese Aufteilungen wieder stärker werden: Ein Kongress an der Volksbühne zur Frage des Kommunismus kommt bei mir nur noch als akademisches Gadget an“

Stephan Geene

taz: Wie verlief die Gründung eures Buchladens und Verlags?

Katja Diefenbach: Unser Konzept entwickelte sich erst im Laufe der Gründung. Durch diese prozessuale Dynamik war b_books zunächst ein fragiles und konfliktreiches Projekt, hatte aber einen starken interventionistischen Anspruch. Buchhändlerische und verlegerische Tätigkeit und kritische Diskussionsprozesse sollten miteinander verbunden werden.

Stephan Geene: Die Gründung ergab sich aus vielen Berliner Projekten und ihren Schnittstellen. Politisches Begehren auf der Kunstseite kam zusammen mit Neuorientierungen bei der autonomen Linken.

Ihr habt Texte gelesen, diskutiert und davon die wichtigsten Texte publiziert?

Diefenbach: Das wäre zu programmatisch gedacht. b_books war nie eine an ihren Rändern kontrollierte oder verfasste Gruppe. Bei uns kamen Leute zusammen, die durch bestimmte Ausgehpraktiken, Musikleidenschaften und durch theoretische Problematiken verbunden waren. Wir haben Fragen geteilt: Wie lassen sich Poststrukturalismus und Marxismus in Verbindung setzen? Wo berühren sich Queer und Postcolonial Theory? Wie lässt sich eine Art militanter Dissidenz diesseits von politischer Identifizierung herstellen?

Geene: Wir sind nicht gezielt vorgegangen. Eher umgekehrt: Bestehende Diskussionen bildeten sich in b_books ab. Wir werden nach wie vor als Plattform verstanden, wo Leute mit uns ihre Bücher entwickeln. Natürlich funktioniert das nur, wenn eine Verbindung zwischen Herangehensweisen und theoretischen Interessen besteht.

b_books versteht sich also als Scharnier zwischen akademischer Theorieproduktion und gegenkulturellem Interventionismus?

Geene: Gerade beim Thema Film und Politik machen diese Beschäftigungen nur Sinn, wenn sie sich jenseits solcher Aufteilungen bewegen.

Diefenbach: Und sich gegen diese Aufteilungen richten. b_books geht es dabei um die Frage, wie man kritische Gesellschaftstheorie betreiben kann an der Randlinie voneinander abgekoppelter Ansätze. Unsere ersten Veröffentlichungen – Althusser, Negri, Singer, Derrida – zeigen die theoretischen Spannungsverhältnisse, an denen wir interessiert sind: strukturalistischer Marxismus, Operaismus, Feminismus, Dekonstruktion usw.

Geene: Gerade beobachten wir einen Prozess, in dem sich diese Aufteilungen wieder stärker ergeben. Ein Kongress an der Volksbühne zur Frage des Kommunismus kommt bei mir nur noch als akademisches Gadget an.

Was war der Anspruch von b_books, „Repolitisierung von Kultur“, was soll das sein?

Diefenbach: „Repolitisierung“ war ein Label, mit dem Leute aus der Musik- und Kunstszene in den 90er Jahren gegen Rassismus und Nationalisierung in der Gesellschaft nach der sogenannten Wiedervereinigung angingen. Lose war in diesem Kontext auch b_books verortet, aber auch im Umfeld der autonomen Bewegung, die mit diesem Label nicht gearbeitet hat.

Geene: Diese „Repolitisierung“ ist nun zu einer „ständigen Ausstellung“ in eigens dafür vorgesehenen Orten geworden.

Wie die letzte Berlin Biennale?

Diefenbach: Man könnte die Berlin Biennale als Symptom für die Kulturalisierung der Politik nennen. Spannender ist natürlich die Frage, inwieweit die eigenen Praktiken diese Kulturalisierung vorantreiben. Die mikropolitische Grundlage dieser Tendenz sind ja die vielen Selbstvervollkommnungsprojekte, die in Berlin entstehen, die kleinen Läden, Modelabels, Galerien und Treffpunkte, die eine kulturalistische Miniaturökonomie bilden. Da stellt sich die Frage, wie die Erschöpfung der autonomen Bewegung, ihre subkulturelle Selbstidentifizierung und der neue Biedermeier der KulturproduzentInnen, der auf die Verteidigung des persönlichen Sinns setzt, zusammengekommen sind.

Wie geht ihr heute mit dieser Spannung um?

Geene: Mit den Untiefen der eigenen Prekarisierung lässt sich nicht mehr produktiv Selbstkritik betreiben. Das Thema liegt schon eine Weile in guten Händen bei großen Verlagen wie Suhrkamp. Ob und wo neue Spannungen auftreten, kann man nicht vorwegnehmen, man kann nur, mit etwas Glück, da stehen, wo man es mitkriegt. Vielleicht kann es dafür nützlich sein, dass b_books nicht mit Manifest und Prinzip begonnen hat und dabei geblieben ist.

INTERVIEW: PHILIPP GOLL