Rettung für den Klinker

ENERGETISCHE SANIERUNG In der Hamburger Jarrestadt kollidieren Klima- und Denkmalschutz. Aber es gibt Alternativen zum vorgeklatschten Putz: Mit einem Bündel von Maßnahmen lässt sich die Klinkerfassade erhalten und trotzdem Energie sparen

Für die Sanierung geschützter Klinkerfassaden gibt es 20 Prozent mehr Fördermittel

VON ANGELA DIETZ

Die Dämmung von Gebäuden ist wichtig für den Klimaschutz. Es tut sich jedoch ein Interessenkonflikt auf: Die für Hamburg so charakteristischen Backsteinbauten sollen nicht durch die Fassadendämmung unter hellem Putz verschwinden.

380 denkmalgeschützte Wohnungen besitzt die Schiffszimmerer-Genossenschaft in der Winterhuder Jarrestadt, die einst unter der Ägide des Oberbaudirektors Fritz Schumacher entstand. Hamburgs älteste Wohnungsbaugenossenschaft baute Ende der 1920er-Jahre den Otto-Stolten-Hof und die Anlage Kranzhaus. 1980 erwarb sie ein Ensemble aus den 1950er-Jahren an der Semperstraße dazu. Bisher wurde hier keine energetische Sanierung durchgeführt.

Die Genossenschaft hat sich für eine behutsame Vorgehensweise entschieden.

„Im Zuge von Instandsetzung haben wir eine umfangreiche Mauerwerks- und Fugensanierung im Otto-Stolten-Hof machen lassen“, sagt Birka Friedrich, Sprecherin der Genossenschaft. Der Aufwand sei durch den Denkmalschutz enorm hoch und kostenaufwändig. Dabei werde auch eine Bauhistorikerin zu Rate gezogen und das Vorhaben mit dem Denkmalschutzamt eng abgestimmt. 1,5 Millionen Euro haben die Schiffszimmerer seit 2012 investiert.

„Man wundert sich manchmal, wie gut ältere Gebäude bei den Energiewerten abschneiden“, sagt Friedrich. Schon vor über 80 Jahren verwendete Materialien wie Holz und Stroh haben eine gute Dämmwirkung.

Größere Schwierigkeiten, die historischen Fassaden in der Jarrestadt zu erhalten, hat das städtische Wohnungsunternehmen Saga-GWG am nahe gelegenen Jean-Paul-Weg. 2012 wurde festgestellt, dass Feuchtigkeit durch die Fassade eindringt und sich in den Wohnungen daraufhin Schimmel bildete. Weder verschiedene Fugenmaterialien noch eine Beschichtung der Fassade lösten das Problem. Die ungewöhnliche Maßnahme, die Fassade mit einem Glasdach zu schützen, hat das Unternehmen nicht umgesetzt.

Ob und wie viel Energie bei bestehenden Wohnungen eingespart wird, bleibt den Eigentümern überlassen. Kostenlose Beratung bietet die Handwerkskammer. Hat ein denkmalgeschütztes Gebäude ein zweischaliges Mauerwerk, kann eine Kerndämmung infrage kommen, so Ursula Männle, technische Beraterin im Energie-Bau-Zentrum der Kammer. Die sieben bis acht Zentimeter dicke Hohlschicht zwischen den Wandteilen wird mit Styroporkügelchen gefüllt. Das häufig genutzte Wärmedämmverbundsystem mit anschließendem Verputz oder Aufsatz von Riemchen – ganz flachen Steinen – kommt im Denkmalschutz meist nicht infrage. Gelegentlich werden zur Dämmung Fassaden auf der Innenhofseite verputzt.

Ob bloße Instandsetzung oder energetische Sanierung – die Probleme sind bekannt. „Die Erhaltung der Backsteinstadt ist eine unserer größten gestalterischen Aufgaben“, sagt Oberbaudirektor Jörn Walter dazu. „Deswegen haben wir uns dieser Frage im Bündnis für das Wohnen, gemeinsam mit Architekten, Wohnungswirtschaft und der Investitions- und Förderbank angenommen.“ 2011 gab die Gruppe unter Mitarbeit des Denkmalschutzes und der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Handlungsempfehlungen heraus.

Ein Bündel von Maßnahmen wurde beschlossen: Vor allem wurde die Förderung durch die Investitions- und Förderbank verbessert. Der Zuschuss zu schwierigen Fassadensanierungen „backsteinrelevanter“ Gebäude wurde um bis zu 20 Euro pro Quadratmeter aufgestockt. Derzeit wird die Untersuchung des Hamburger Backsteinbestands überarbeitet. Die Ausbildung von Architekten und Ingenieuren an der Hafencity-Universität soll verbessert werden. In Zusammenarbeit mit den Kammern werden zertifizierte Weiterbildungen für Architekten und Handwerker angeboten. Ein Katalog mit Best-Practice-Beispielen soll demnächst folgen, ins Internet gestellt und jährlich aktualisiert werden.

Auch in anderen Regionen Europas gibt es eine charakteristische Backstein-Baukultur. In den baltischen Ländern und Polen finden sich Zeugnisse gotischer Baukunst aus der Zeit des Deutschen Ordens und der Hanse. Deshalb hat in Hamburg ein EU-Projekt mit dem Titel „Co2ol Bricks“ über mehrere Jahre Möglichkeiten untersucht, wie die Energieeffizienz denkmalgeschützter Gebäude verbessert werden kann. Ein erfreuliches Ergebnis: Durch die Kombination von Maßnahmen an Dach, Keller, Fenstern und Türen sowie Heiztechnik mit der – nicht unumstrittenen – Innendämmung von Außenwänden können zwischen 50 und 70 Prozent Energieeinsparung erreicht werden – ganz ohne den Backstein anzutasten.