China verstärkt Vorzensur

Neue Verordnung, die die Verbreitung internationaler Nachrichten einschränkt, gilt aber als nicht praktikabel

Im Gerangel um die Öffnung der chinesischen Medienlandschaft im Vorfeld von Olympia 2008 wird die Kommunistische Partei Chinas nervös. Eine neue Medienverordnung soll ab sofort die Verbreitung ausländischer Nachrichten in China stärker kontrollieren. Die KP-Behörden befürchten offenbar den bevorstehenden Ansturm westlicher Medien im Olympia-Jahr.

Nach der Regelung, die am Montag in Kraft trat, dürfen chinesische Medien künftig nur noch solche Meldungen ausländischer Agenturen verwenden, die zuvor von der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua geprüft worden sind. Ausländische Nachrichtenagenturen dürfen ihre Meldungen außerdem nicht mehr direkt an chinesische Abnehmer wie Bank- und Finanzinstitute oder multinationale Unternehmen weitergeben, sondern müssen sie ebenfalls zunächst Xinhua oder von ihr bevollmächtigten Vermittlern vorlegen. Diese leiten die Meldungen erst dann an chinesische Kunden weiter, wenn der Inhalt keine der neuen Auflagen verletzt. Unzulässig sein sollen etwa Meldungen, die „Chinas soziale und wirtschaftliche Ordnung stören“ oder „die nationale Einheit, Souveränität und territoriale Integrität“ unterlaufen. Bei Zuwiderhandlungen droht im Extremfall Lizenzentzug.

Allerdings fällt die Interpretation der neuen Regelung in West und Ost weit auseinander: EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso kritisierte prompt, dass man „jede Art von Restriktionen der Pressefreiheit oder eines stärkeren Eingreifens des Staates in diese Freiheit natürlich für eine sehr negative Entwicklung“ halte. Ein EU-Diplomat erinnerte daran, dass die Volksrepublik mit dieser Regelung gegen WTO-Verpflichtungen verstoße, die Verbreitung von Finanzinformationen zu liberalisieren. In China selbst reagieren Medienprofis dagegen weitaus sorgloser. So hält Wang Xiaoshan, ehemaliger Chef der Kulturredaktion der Neuen Pekinger Zeitung (Xinjingbao) die neuen Regelungen für schlicht nicht durchsetzbar. „Ich nehme die neue Medienverordnung nicht besonders ernst. Es ist unmöglich, sämtliche Meldungen ausländischer Agenturen täglich auf ihren Inhalt zu prüfen“, sagt Wang. „Auch die so genannten Strafen werden nicht durchzusetzen sein. Diese neue Regelung ist nur der Versuch einer machtlos gewordenen Behörde, ihre ehemals strikte Kontrolle über die chinesische Medienlandschaft wiederherzustellen. Es wird ihr nicht gelingen.“

Die neuen Vorschriften ersetzen einen Erlass von 1996, der bisher ausschließlich die Verbreitung von Finanzinformationen regelte. Damit will man vor allem Grauzonen wie Internetportale treffen, die bislang weitgehend ungestört auf Meldungen ausländischer Nachrichtendienste zurückgreifen. Betroffen ist möglicherweise auch die Agentur Reuters mit ihrem chinesischen Dienst, der sowohl ausländische als auch inländische Medien vor allem mit Wirtschaftsnachrichten versorgt.

Bereits vor einigen Monaten wurde in China zudem ein Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem Medien bestraft werden sollen, die ohne offizielle Genehmigung über Streiks, Proteste oder Notfälle wie Naturkatastrophen berichten. G. BLUME

B. TAVASSOLIE, PEKING