Schuldspruch wegen Diktatur-Verbrechen

Erstmals verurteilt ein Gericht in Uruguay acht frühere Militärs und Polizisten wegen Menschenrechtsverbrechen in der Zeit zwischen 1973 und 1985. Das Strafmaß steht noch aus. Ein weiterer Angeklagter begeht Selbstmord

BUENOS AIRES taz ■ In Uruguay hat ein Richter am Montag zum ersten Mal ehemalige Militärs und Polizisten wegen Menschenrechtsverbrechen während der Diktatur von 1973 bis 1985 verurteilt. Richter Luis Charles verurteilte sechs ehemalige Offiziere und zwei Polizisten zu einer Gefängnisstrafe. Die Begründung und das genaue Strafmaß wird der Richter zu einem anderen Zeitpunkt bekannt geben, berichtet die uruguayische Tageszeitung El País. Den Verurteilten drohen bis zu 18 Jahre Haft. Die Verteidigung will voraussichtlich in Berufung gehen.

Eigentlich hätte Richter Luis Charles am Montag neun Angeklagten seine Entscheidung mitteilen sollen. Aber der ehemalige Militär Rodríguez Buratti hatte sich seiner Festnahme entzogen. Als er am Sonntag von der Polizei abgeholt werden sollte, sei er in seine Garage gegangen und habe sich erschossen, teilten die Behören mit.

Die verbleibenden acht Angeklagten wurden der Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Freiheitsberaubung an den während der Militärdiktatur Verschwundenen Adalberto Soba und Alberto Mechoso für schuldig befunden. Beide waren 1976 durch eine gemeinsame Aktion von argentinischen und uruguayischen Militärs verschwunden. Für sieben der Angeklagten liegt wegen der so genannten Operation Kondor ein Auslieferungsantrag aus Buenos Aires vor.

Unter Eierwürfen und dem Applaus von Menschenrechtlern wurden die Verurteilten anschließend ins Gefängnis gefahren. „Es ist nicht viel, aber es ist ein guter Anfang“, sagte Alberto Mechoso, der Sohn des Verschwundenen. Seit dem Amtsantritt des linken Präsidenten Taberé Vásquez im März 2005 ist der Druck, Menschenrechtsverbrechen strafrechtlich zu verfolgen, gestiegen. Bisher waren alle Verbrechen von Angehörigen des Militärs und der Polizei wegen eines 1986 erlassenen Amnestiegesetzes straffrei geblieben.

Mitte der 70er-Jahre erlangte Uruguay als „Folterkammer Lateinamerikas“ traurige Berühmtheit. Insgesamt wurden 40.000 Menschen während der Diktatur verhaftet, die meisten davon gefoltert und viele ermordet. Über den Verbleib von knapp 200 Personen gibt es bis heute keine Gewissheit. Die Militärs übernahmen am 27. Juni 1973 die Macht. Im Februar 1985 fanden die ersten freien Präsidentschaftswahlen nach dem Ende der Diktatur statt. JÜRGEN VOGT

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