Der Oettinger-Club

Journalisten-Verband kritisiert offizielle Unterstützung von Oettingers „Stuttgart 21“ durch Chefredakteure

Die Mitgliedschaft von baden-württembergischen Chefredakteuren im „Stuttgart 21“-Unterstützerkreis von Ministerpräsident Günther H. Oettinger wird vom Deutschen Journalisten-Verband scharf kritisiert. „Die Aufgabe der Presse ist die Kontrolle der Politik“, sagte der Landesvorsitzende Karl Geibel der taz, „ein Chefredakteur darf sich nicht mit einer Sache gemein machen, und sei sie noch so gut.“

Oettinger (52, CDU), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, hat laut Landesregierung 30 Medienvertreter, darunter zahlreiche Chefredakteure, zum Gründungstreffen des „Unterstützerkreis Stuttgart 21“ gebeten – sechs Chefredakteure und Redaktionsleiter hatten ihr Kommen angekündigt. Es geht ihm um „nachhaltige Öffentlichkeitsarbeit“ für den umstrittenen neuen Tiefbahnhof sowie die Neubaustrecke Stuttgart–Ulm. Absagen erhielt Oettinger von der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten.

Jörg Bischoff, Chefredakteur der Ulmer Südwestpresse, ist dagegen offizieller Unterstützer von „Stuttgart 21“ geworden und hat dies auch seinen Lesern mitgeteilt. „Wir haben immer in diese Richtung geschrieben“, sagte Bischoff der taz, „wenn wir kommentieren, dann pro.“ Selbstverständlich kämen aber in seiner Zeitung auch Gegner des 3-Milliarden-Euro-Projekts zu Wort, etwa die Grünen. Das wird von den Grünen bestätigt. Sieht Bischoff keine Probleme, den Status als offizieller Unterstützer mit der Funktion und der Unabhängigkeit der Presse zu vereinbaren? „Nein, sehe ich nicht.“

Oettinger hatte in seiner Eröffnungsrede beim Gründungstreffen seines Unterstützerkreises am Montag „die Chefredakteure zahlreicher Zeitungen und Medien“ ausdrücklich begrüßt. Auf Anfrage der taz nach der Vereinbarkeit von unabhängiger Berichterstattung und Mitgliedschaft im Unterstützerkreis teilte ein Sprecher mit: „Die Landesregierung sucht in allen Bereichen des öffentlichen Lebens Unterstützung. Sie begrüßt es daher ausdrücklich, dass auch Vertreter der Medien von ‚Stuttgart 21‘ überzeugt sind und ihre Meinung offen vertreten, wie dies in publizistischen Kommentaren ebenfalls üblich ist.“

DJV-Vorsitzender Geibel sorgt sich dagegen um die Reputation der Zunft: „Die Bürger reagieren sehr sensibel, wenn sich Journalisten mit etwas gemein machen.“ Die Unterstützung sei auch problematisch, „weil es in jeder Redaktion zwei Seiten gibt“. Er rät Chefredakteuren, sich nur mit denen gemein zu machen, die „für die Unabhängigkeit der Presse kämpfen“. Projektgänger lebten ein überholtes Weltbild, nämlich „die Anbiederung an die Politik“. Im Übrigen, fürchtet Geibel: „Wenn ein normaler Redakteur so etwas macht, hätte das arbeitsrechtliche Folgen.“

PETER UNFRIED