Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Mit seinen Äußerungen zum Islam will der Papst entweder provozieren – oder war zu lange im Elfenbeinturm, um weltliche Wirkungen seiner Worte realistisch einzuschätzen. In beiden Fällen taugt er nicht für den Job

Das Nein der FDP zum Libanon-Einsatz ist der Kauf einer Option, beim ersten „Gefallenen“ laut „Siehste! Siehste!“ zu rufen

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Sensationell langweiliger, vorentschiedener Wahlkampf in Berlin.

Was wird besser in dieser?

Neue Argumente in der SPD-Kanzlerkandidaten-Frage.

Papst Benedikt hat einen mittelalterlichen Disput zitiert, in dem der Islam schlecht wegkommt. Viele Muslime forderten eine Entschuldigung, der Vatikan hat sie geliefert. Amen?

So, wie vor Tagen noch die Muslime in Deutschland aufgefordert wurden, sich von Hasspredigern in ihren Reihen zu distanzieren und Fundamentalisten auszugrenzen, zwingt auch Ratzinger uns jetzt zu sagen: Wir sind nicht Papst. Wenn er aus dem Kosmos seines theologischen Wissens nichts anderes als eine 600 Jahre alte Schmähung rauszuhauen hat, will er entweder provozieren – oder war zu lange im Elfenbeinturm, um weltliche Wirkungen seiner Worte realistisch einzuschätzen. In beiden Fällen taugt er nicht für den Job.

War was der Papst gesagt hat arrogant – oder sind viele Muslime nur zu empfindlich?

Aufgabe aller ReligionsführerInnen kann derzeit nur sein, Gemeinsamkeiten in Friedensliebe und Toleranz herauszustellen. Traue Ratzinger durchaus zu, dass er dazu in staubigen Folianten auch einiges findet. Was für ein Beitrag wäre es gewesen, wenn der Satz aus seiner Entschuldigung „Die Haltung der Kirche ist es, die Muslime zu achten, die den einen Gott lieben“ die erste und direkte Nachricht seiner Predigt gewesen wäre? Erste Aufgabe der Religionsdeuter ist es, allen, die mit theologischen Argumenten Missbrauch treiben, klar anzusagen, dass die Händler und Geldwechsler, die Söldner zumal, allseits achtkant aus den Tempeln fliegen. Benedikt stünde da etwa ein reuiges Schuldbekenntnis der katholischen Kirche zum Nordirland- Konflikt als Gleichnis zu Gebote. „Alle sind eingeladen“, rief der katholische Priester Hasenhüttl beim Kirchentag 2003 auch Andersgläubige zum Abendmahl. Und wurde von Religionswächter Ratzinger gefeuert. Und wenn der Papst deutschen Hochschullehrern die Lehrerlaubnis entzieht, guckt der säkulare Staat tatenlos zu.

„Ich stamme aus einer Familie, deren gesamte Verwandtschaft 1915 von den Türken abgeschlachtet worden ist.“ Das sagt eine Armenierin in einem Roman der türkischen Autorin Elif Shafak. Am Mittwoch steht Shafak – wegen eines Satzes einer Romanfigur! – in der Türkei vor Gericht. Passt ein Staat, in dem solche Prozesse Usus sind, in die EU?

Nein.

Vor zehn Jahren entwarf der US-Politologe Samuel Huntington die Idee vom „clash of civilisations“. Die globalen Konfliktlinien der Zukunft würden entlang kulturell-religiöser Fronten verlaufen. Hatte er Recht?

Nein. Konflikte entzünden sich an Verteilungsgrenzen, an materieller und wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und Not. Sie lassen sich mit religiösen Überhöhungen tarnen, wenn sich dafür genug Irre finden. Oder Irre und Päpste, neuerdings.

Am Mittwoch wird der Bundestag den Libanon-Einsatz beschließen. Wie würden Sie abstimmen?

Art. 87 a Satz 1 GG: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ Klares Nein.

Die FDP wird mit Nein stimmen, obwohl Zweidrittel ihrer Wähler für den Einsatz sind. Warum fährt die FDP diesen Kurs?

Weil’s nichts kostet. Und natürlich taugt die Parteinahme in diesem Konflikt dazu, dem deutschen Waffenhandel, der bisher mit allen Konfliktbeteiligten blüht, Einbußen zuzufügen.

Glaubt eigentlich jemand, dass die neue Skepsis der FDP zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr etwas anderes als Taktik ist?

Es ist ausdrücklich keine Skepsis gegen Auslandseinsätze, denen schließlich die FDP noch unter Kohl am Balkan die Tür geöffnet hat. Es ist Kalkül auf Umfragewerte, es ist Ätsch gegen die Grünen, es steht in der Tradition führender Deutsch-Araber wie Genscher und Möllemann, und es ist der Kauf einer Option, beim ersten „Gefallenen“ laut „Siehste! Siehste!“ zu rufen.

Und was macht Borussia Dortmund?

Erfreut sich an der Internet-Karriere des japanischen Fußball-Kommentators Kiyoshi Inoue, dem folgende klare Worte nachgerühmt werden: „Hier in Dortmund sieht man noch deutlich, dass hier früher das kommunistische Ostdeutschland war.“ Daraufhin der Ko-Kommentator: „Ist das wirklich schon Ostdeutschland?“ Inoue: „Ja, der Fluss Rhein war früher die Grenze. Wer da rüberwollte, wurde erschossen. Es gab nur eine Brücke, bei Remagen, die ist jetzt wieder aufgebaut.“ FRAGEN: DAH