Schieber im Rampenlicht

PROZESSAUFTAKT Schleppend beginnt die Verhandlung gegen vier mutmaßliche Wettbetrüger

BOCHUM taz | Hier ein Antrag, dort eine Rüge und wieder neue Unterbrechungen: Der Prozess um den vermeintlich größten Wettskandal im europäischen Fußball vorm Landgericht Bochum beginnt zäh. Der Grund: Ein Teil der Anwälte hat Anträge eingebracht, in denen die Einstellung des Verfahrens gefordert wird. So war die Zuständigkeit des Bochumer Landgerichts angezweifelt worden.

Obwohl die Kammer die Anträge gestern zurückwies, kam es zu weiteren Unterbrechungen. Bis zum Nachmittag war noch nicht einmal die Anklageschrift verlesen. Ursprünglich war der Prozess auf fünf Verhandlungstage angesetzt. Die Staatsanwaltschaft Bochum geht allerdings bereits jetzt davon aus, dass es „wesentlich mehr werden“.

Am öffentlichen Interesse dürfte dies nicht viel ändern: Der Parkplatz vor dem Gericht war voll mit Übertragungswagen, Kamerateams sendeten ununterbrochen, Passanten blieben stehen und wunderten sich. Auch im Gerichtsgebäude herrschte Betrieb. Der Zuschauerraum des größten Sitzungssaals war gut gefüllt – darunter etliche Freunde und Bekannte der Angeklagten. Selbst die Uefa hat einen Prozessbeobachter geschickt, der sich allerdings nicht zur Sache äußern wollte.

Vier Männer im Alter von 32, 35 und 55 Jahren müssen sich wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges verantworten. Den Angeklagten wird vorgeworfen, in wechselnder Beteiligung und im Zusammenwirken mit anderen Personen auf Spieler oder Schiedsrichter eingewirkt zu haben. Im Falle einer Verurteilung drohen ihnen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren.

Im Mittelpunkt des Interesses steht der Angeklagte Nürettin G., einer der mutmaßlichen Drahtzieher. Seine Aussagen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Staatsanwaltschaft Bochum überhaupt erst Anklage gegen die vier Verdächtigen erheben konnte. Auf der Anklagebank im schmucklosen und kalten Gerichtsaal merkte man Nürettin G. die Anspannung an. „Er ist so etwas wie der Kronzeuge“, sagt sein Anwalt Jens Meggers. „Er hat als Erster ausgepackt und zugegeben, dass er selbst Spiele manipuliert hat.“ Darüber hinaus habe er weitere Angaben gemacht, die nicht direkt mit seiner Person zu tun hätten.

Der Spiegel hatte bereits im vergangenen Jahr berichtet, dass Nürettin G. regelmäßig Kontakt mit den verdächtigen Exspielern des VfL Osnabrück, Thomas Cichon und Marcel Schuon, hatte. 389 SMS- und 5 Telefonkontakte habe es demnach gegeben. Zu weiteren Einzelheiten werde er im Prozess Stellung nehmen, sagt Meggers. Er und sein Mandant hoffen so, das Strafmaß deutlich senken zu können.

Im Fokus der Ermittlungen stehen 31 Liga-Spiele in Deutschland, Belgien, Slowenien, Ungarn, Kroatien und der Schweiz. Hinzu kommen noch eine Begegnung der Europa League und ein EM-Qualifikationsspiel der U21. Insgesamt seien rund 2 Millionen Euro auf die betroffenen Spielpaarungen gesetzt worden, die Gewinne sollen sich auf knapp 1,6 Millionen Euro belaufen. Die Bochumer Justiz ermittelt in mehreren Prozessen gegen mehr als 250 verdächtige Personen. Europaweit stehen rund 270 Spiele unter Manipulationsverdacht. HOLGER PAULER