Pressefreiheit von oben

PIONIERE Die Medienlandschaft des südasiatischen Landes Bhutan ist jung und überschaubar, wächst aber stetig. Nachwuchsprobleme, eine schlechte Infrastruktur und die geringe Alphabetisierung sind die größten Probleme

VON SONAM PELDEN

Die Geschichte seiner Medien ist wie die Geschichte von Bhutan. Denn wie bei der Demokratisierung des Landes ging der Anstoß zur Gründung der ersten Zeitung vom Königshaus aus. Aufgrund der fehlenden Expertise und Ressourcen startete die Regierung 1967 zunächst das interne Bulletin Kuensel (grob übersetzt: „Klarheit“).

Kuensel wuchs, wurde eine öffentlich verkaufte Zeitung und unabhängig, allerdings eher inhaltlich als wirtschaftlich. Während Zeitungen überall in der Welt eingehen oder ins Netz ausweichen, wächst in Bhutan die Zahl der Publikationen. Heute gibt es zwei täglich und vier wöchentlich erscheinende Zeitungen – was viel ist angesichts von nur 700.000 Einwohnern und einer Analphabetenrate von rund 50 Prozent. Mit Ausnahme der Bhutan Today stehen allen Zeitungen ehemalige Kuensel-Reporter vor.

Orale Tradition

Doch die bhutanische Medienindustrie steckt nach wie vor in den Kinderschuhen. Als Gesellschaft mit ausgeprägter oraler Tradition sind viele Bhutaner noch immer auf Tratsch und Gerüchte fixiert und weniger interessiert an Medien oder Journalismus. Eine der größten Herausforderungen für bhutanische Medien wird daher sein, eigene Geschichten zu erzählen.

Das geht einher mit einem Lernprozess, wie Journalismus überhaupt funktioniert. Zwar wird versucht, eine Vielfalt in Inhalt und Design herzustellen. Aber wenn es um nationale Themen geht, covern die meisten Zeitungen dieselben Geschichten, manchmal sogar mit denselben Fotos und mit denselben Gesprächspartnern. Noch oft wird Sensationsheischerei mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung verwechselt.

Damit aber Bhutaner Bhutan verstehen, brauchen wir bhutanische Journalisten. Viele scheuen den Druck, sechs Tage in der Woche zwölf Stunden am Tag zu arbeiten – und geben auf. Wer übrig bleibt, begibt sich unter das schwere Joch, die Gedanken der Menschen beeinflussen zu können. Denn alle Geschichten müssen im Kontext mit Bhutans Entwicklungsphilosophie erzählt werden, dem Bruttosozialglück (BSG) der demokratischen Gesellschaft. Das BSG geht davon aus, dass das Volk die wichtigen Entscheidungen fällen soll. Und den Medien fällt die Verantwortung zu, dem Volk die Informationen zu geben, die es braucht, um solche Entscheidungen auch treffen zu können.

In Bhutan gibt es einen nationalen Fernsehkanal – erst 1999 gegründet – und vier Radiosender, und alle hängen sie am Tropf staatlicher Anzeigen. Da die Alphabetisierung der bhutanischen Bevölkerung Fortschritte macht, suchen auch immer mehr junge Menschen online nach Informationen. Wegen der zerklüfteten Topografie des Landes haben weite Teile keine Elektrizität und damit kein Internet. Wo also die Ungebildeten vor allem Radio hören, greifen die Gebildeten – Verwaltungsbeamte oder Lehrer – zur Zeitung, auch wenn diese sie manchmal erst Tage nach dem Druck erreicht.

Englische Konkurrenz

Hauptkonkurrenz der einheimischen Presse sind englischsprachige Zeitungen. Weil Englisch die Schulsprache ist, können mehr Bhutaner in dieser Sprache lesen als in ihrer Muttersprache Dzongkha, entsprechend verkaufen sich englische Publikationen wesentlich besser.

Auch wenn es scheint, als würde die bhutanische Medienindustrie stetig weiterwachsen, ist der Mangel an ausgebildeten Professionellen eine ernste Herausforderung. Inmitten eines sozialen, ökonomischen und politischen Umbruchs ist der Druck auf bhutanische Medien enorm, sich in inhaltlicher, qualitativer sowie professioneller Hinsicht zu verbessern. Vielleicht ist bis auf weiteres unser einziger Trost, was unlängst eine Medienstudie in Bhutan ergeben hat: dass „Tageszeitungen, obwohl das unpopulärste Medium, die Entscheidungsträger am meisten beeinflussen“.

Die Geschichte seiner Medien ist die Geschichte von Bhutan. Für uns geht sie gerade erst los.

■ Sonam Pelden kommt aus Bhutan und arbeitet als Reporterin für Kuensel. Sie hospitierte kürzlich im Rahmen eines Austauschprogrammes bei der taz. Aus dem Englischen von Arno Frank