Wettrollen am Weserdeich

Dem Blödsinn sind wirklich keine Grenzen gesetzt: Bei der Kalabums-Weltmeisterschaft in Bremen trudeln junge Menschen den Deich hinab – und Hunderte schauen zu. Sponsor ist eine lokale Brauerei. Kein Wunder, dass auch die Disziplin „Mann gegen Fass“ im Angebot ist

Neigungswinkel 45 Grad, Rolle vorwärts, der scheinbar weiche Untergrund plötzlich knochenbrecherisch hart? Na, woran erinnert Sie das? Genau, an den Purzelbaum! Beziehungsweise Kalabums, wie man in Bremen sagt. Am Sonntag fand nun ebenda die zweite Kalabums-WM statt. „Die Sinnsuche infantilisierter Jungmänner ist noch lange nicht abgeschlossen“, meinten die Einen – während 80 Andere fröhlich den Deich hinabrollten. Doch nur einer stand nachher ganz vorn auf der Kalabums-Skala und dem Bierkistensiegertreppchen: Roman P. (19), Weltmeister: „Alle meine Freunde waren hier, meine Freundin, alle haben mir die Daumen gedrückt, ich musste einfach gewinnen! Dabei hab’ ich nie trainiert!“

Glauben muss man es ihm, denn: „Der Kalabumser ist ehrlich, höflich, wahr, freiheitsliebend und meidet Enthaltsamkeit“ lautet eine von zehn Goldenen Regeln, die es unter Disqualifikationsandrohung zu befolgen galt. Soweit das Auge reichte, hielt sich jeder dran. Daher wohl rührte die familienfreundlich entspannte Atmosphäre unter den rund 500 Zuschauern. Und daher wiederum wohl das Sponsoring durch eine Biermarke, das die zweite Kalabums-WM in punkto PR weit von der ersten abhob, die letztes Jahr nur 50 Zuschauer gefunden hatte.

Aber à propos Disqualifikation: Zu den Olympischen Spielen ist Kalabums nicht zugelassen; diesbezügliche Anfragen wurden bis dato nicht beantwortet. Man ist jedoch, recht und billig, „schon jetzt Olympiasieger der Herzen“, so Kalabums-Kaiser Lars Jego-Küster. Was aber soll das alles?

Weit ausholen müsse er da, sagt der „kreative Kopf“ der WM: Angefangen habe es vor zwei Jahren mit einem spontanen Kalabums-Wettbewerb, den so viele Schaulustige Wetten abschließend begleiteten, dass die Idee zu einem veritablen „Breiten- und Massensport“ entstanden sei. Ergebnis: Kalabums-WM 2006, (Muskel-)Kater allenthalben und Platz vier für den Autor dieser Zeilen.

Bremen, die Stadt, der die Austragung der WM im Fußballspielen verweigert wurde, die Stadt, deren Vorzeigekicker von Werder am Samstag die vierte Niederlage in Folge einfuhren: Dieses Bremen scheint im Purzelbaumschlagen eine neue Liebhaberdisziplin gefunden zu haben. An die folkloristische Bezeichnung „Kalabums“ indes muss sich mancher vielleicht noch gewöhnen. Außer Ureinwohnerin Erika King (82). Sie hat sich das dreistündige Turnier alleine, begeistert und komplett angeschaut – trotz der vielen organisatorischen Pannen und Pausen. Besonders angetan haben es ihr die Disziplinen „Mann gegen Fass“ und „Kostümkalabums“, wo sich Feuerwehrfrau Tatjana gegen Eisbär Dennis und Clown Lars durchsetzen konnte.

Resümee von Frau King: „Toll, was in Bremen alles auf die Beine gestellt wird und dass alle so mutig sind!“ Ihre skeptischen Freundinnen waren nicht dabei, Kommentar: „Kalabums? Wat is’ dat denn?“ Bleibt ja wohl nur noch Peking – Olympia 2008.Robert Best