berlin, wahlen etc.
: Jetzt nur nicht grübeln, Wowi!

Wie hieß noch mal der Esel, der zwischen zwei Heuhaufen elendiglich verhungert ist? Die alte Crux mit der Entscheidungsfreiheit. Wenn man genauso gut in den einen Heuhaufen wie in den anderen beißen könnte – welchen soll man dann wählen? Gleiche Entfernung, gleiche Größe, gleicher Geschmack. Grüblerische Menschen und solche, die auf den Antrieb des besseren Arguments angewiesen sind, können da glatt verzweifeln.

Nun braucht man nicht wirklich Angst zu haben, dass Berlins Regierender Bürgermeister vor solchen Problemen scheitern könnte. Den Witz, dass er, wenn er sich etwa zwischen zwei Partys entscheiden muss, im Zweifel eben auf beide geht, kann man nun zwar leider nicht machen. Eine Dreierkonstellation mit Grünen und PDS-Linken hat der SPD-Mann ausdrücklich ausgeschlossen. Der Unterschied zur Esel-Situation besteht aber darin, dass die beiden möglichen Koalitionspartner sich keineswegs so gleichen wie ein Heuhaufen dem anderen. So wäre Wowereit also aus dem Schneider – wenn nicht andere Schwierigkeiten aufträten. In Frage steht, welches Merkmal welcher Partei nun attraktiver sein könnte als ein anderes Merkmal der anderen Partei. In etwa ließe sich das dahingehend übersetzen, dass beim Esel der eine Heuhaufen schmackhafter ist, der andere Heuhaufen aber näher. Darüber kann man auch wieder ins Grübeln kommen.

Politisch sind solche Situationen der freien Willensentscheidung immer noch ziemlich ungewohnt; auch wenn der Wählerwille, bei deren Umsetzung sich alle Beteiligten besser auskennen, immer häufiger unklar spricht. Wäre nun also natürlich schon klasse, wenn man der Politik einige Ratschläge geben könnte – etwa aus dem Fundus der Philosophie. Nur hatte bekanntlich der freie Wille in den philosophischen Debatten nicht den allerbesten Stand. Schopenhauer hielt ihn glatt für eine Illusion. Tatsächlich werde der Wille von allem möglichen gesteuert – Sozialisation, Umwelteindrücke, dunkle Antriebe –, aber bestimmt nicht von einer rationalen Entscheidungsinstanz. Was Freud daraus machte, ist bekannt. Die Hirnforscher machten sich zwischendurch auch ganz schön mopsig. Und seit es die Quantenphysik gibt, muss auch noch bedacht werden, dass selbst wenn man den Determinismus insgesamt verneint, daraus noch lange nicht die Freiheit des Willens herleitbar ist: Genauso gut könnte jede Entscheidung auch bloßer Zufall sein …

Tja. Philosophisch bleiben nur Neuwahlen. Im Sinne klarer Entscheidungsfindung kann man nur hoffen, dass Wowereit jetzt bloß nicht in sich geht und sich fragt, was er wirklich will. Das würde nichts werden. Also, nicht grübeln, Wowi! Einfach machen!

Ach ja. Buridans Esel hieß das Tier. MICHAEL KRAMER