Krautfunding auf dem Acker

SHAREHOLDER VALUE Nicht einfach nur auf Spenden angewiesen sein möchte der Demeter-Hof Apfeltraum – und setzt stattdessen auf gemeinwohlorientierte Aktionäre

Der Gedanke daran, dass Demeter-Landwirte Aktien ausgeben, sorgt für Stirnrunzeln

VON ANSGAR WARNER

Die alte Feldsteinscheune mitten auf dem Demeter-Hof „Apfeltraum“, sie sieht von außen nicht unbedingt aus wie ein Anziehungspunkt für Investoren. Und doch finden hier am Rande des brandenburgischen Städtchens Müncheberg regelmäßig Aktionärsversammlungen statt. Anderswo mag man ein Plenum abhalten, doch wenn sich hier am rustikalen Holztisch die Hofgemeinschaft zusammensetzt, treffen sich formal gesehen die Vorstandsvorsitzenden mit ihrem Aufsichtsrat.

Der Gedanke daran, dass Demeter-Landwirte Aktien ausgeben, dürfte bei vielen erstmal für Stirnrunzeln sorgen. Hat nicht der Demeter-Verband „gerechtes Wirtschaften“ zu seinen Leitbild erklärt? Und Aktienhandel, führt das nicht am Ende immer zu Profitgier und Spekulation? Das ist wohl leider oft so, wenn Unternehmen an die Börse gehen und ihre Anteile an anonyme Shareholder verkaufen. Doch es geht eben auch ganz anders, weiß Jakob Ganten: „Eine Aktiengesellschaft bedeutet zunächst einmal nur, dass der Besitz auf mehrere Personen verteilt ist.“

Der studierte Landwirt gehört zu den Gründungsmitgliedern der „Hof Apfeltraum AG“, die seit 2006 am Start ist. Als die Hofgemeinschaft vor knapp zehn Jahren in eine kritische Lage geriet, habe man sich überlegt, wie man neue Unterstützer gewinnen könnte – nur auf Spenden wollte man sich dabei aber nicht verlassen: „Wir wollten keine Almosen sammeln. Stattdessen haben wir nach innovativen Ideen gesucht, um die Leute zu Mitunternehmern zu machen“.

Mit den renditeorientierten Wölfen der Wall Street haben die Aktionäre der Hof Apfeltraum-AG gar nichts zu tun. Ganten kennt seine Aktionäre sogar persönlich, denn der Hof Apfeltraum gibt Namensaktien aus, und hält regelmäßigen Kontakt per E-Mail.

So ganz quer zur bio-dynamischen Landwirtschaft stehe eine Aktiengesellschaft ohnehin nicht: „Das Nachdenken über Eigentumsformen hat bei Demeter eine lange Tradition.“ Zu den Inspirationsquellen zählt er etwa den GLS-Gründer Ernst Barkhoff, der schon in den Sechziger Jahren darüber nachgedacht hatte, wie man Ackerland, das sich ja nicht beliebig vermehren lässt, möglichst vielen Menschen zugänglich macht.

Um ein Großunternehmen geht es freilich bei der Apfeltraum AG nicht – auf dem Hof leben und arbeiten etwa 20 Personen, die meisten von ihnen sind in Feldbau und Gärtnerei beschäftigt, daneben gibt es auch einen Kuhstall, eine Baumschule und eine Imkerei. Außerdem profiliert man sich als Bildungsort, der „Hoffahrten“ für Kinder organisiert und ihnen das Leben auf dem Land wieder näher bringt – was dem Apfeltraum auf der letzten BioFach-Messe die Auszeichnung „Bio-Hof des Jahres 2014“ bescherte. Viele der hier produzierten Ackerfrüchte gehen über eine „Abokiste“ an regelmäßige Besteller im Großraum Berlin. Der Hof ist aber eigentlich viele Höfe: Die einzelnen Betriebsteile wirtschaften schon seit 2001 selbständig, die Aktiengesellschaft kam 2006 als weiterer Teil dazu.

Sie soll vor allem bei notwendigen Investitionen helfen, und das kann sie auch: Knapp 150 AktionärInnen haben die Müncheberger inzwischen überzeugen können, und mehr als 100.000 Euro Kapital gesammelt. Das meiste Geld floss in die Sanierung eines Teils der alten Feldsteinscheune, die nun als Gemeinschaftsraum genutzt wird. Außerdem betreibt der Hof eine eigene Großküche, deren fest angestellter Koch jeden Tag etwa 50 Biomahlzeiten bereitstellt. Dabei soll es aber nicht bleiben: „Wir möchten das selbst angebaute Getreide direkt vor Ort veredeln, deswegen planen wir eine kleine Bäckerei, außerdem einen Hofladen, damit wir unsere Produkte auch direkt hier vor Ort anbieten können“, berichtet Ganten.

Nicht zuletzt könnte man mit mehr Kapital auch mehr Tiere halten und die Anbauflächen ausweiten – doch das wird nicht ganz billig, denn auch im östlichen Brandenburg haben die Bodenpreise in letzter Zeit stark angezogen: „Wegen der niedrigen Zinsen investieren auch viele Unternehmen in Grund und Boden, die überhaupt nichts mit Landwirtschaft zu tun haben“, beobachtet Ganten. Meistens wird auf dem Acker die schnelle Rendite gesucht – entweder mit Mais-Monokulturen für die Biogasproduktion oder mit Massentierhaltung, zu Lasten von Mensch, Tier und Umwelt.

Umso wichtiger scheint es da, zumindestens einen Teil des Ackerbodens wieder zum Gemeingut zu machen – etwa durch die in Müncheberg praktizierte Kombination aus „Consumer Supported Agriculture“ (siehe die „Abokiste“) und aktiengestütztes „Krautfunding“. Ähnliche Bestrebungen gibt es mittlerweile auch anderswo, im Südwesten der Republik etwa kauft die von Demeter-Landwirt Christian Hiß gegründete Regionalwert-AG Anbauflächen auf, um sie zu bezahlbaren Preisen an Ökobauern zu verpachten. Dort trugen die am Gemeinwohl orientierten Aktionäre eine sechsstellige Summe zusammen.

www.hof-apfeltraum.de