hamburger szene
: Die Frau des Uhrenhändlers

Die Sonne scheint über Eimsbüttel, die Frau ist gut gelaunt. Um die 60, klein und übergewichtig steht sie hinter ihrem Tresen und strahlt mich an. Dann bricht der Wortschwall aus ihr heraus. Dass sie mich schon vor der Tür stehen hätte sehen können, weil sie da eine Kamera installiert hätten. Dass früher die Herren den Damen ja noch richtig Geschenke gemacht hätten. Armbänder aus Gold, Ringe aus Silber und Uhren aus Glashütte. Und dass der Laden ja eigentlich gar nicht ihr gehöre, sondern ihrem Mann, der aber im Moment nicht da sei.

Dabei wollte ich nur die Batterie meiner billigen Armbanduhr wechseln lassen. Jetzt höre ich mir Geschichten einer Uhrenladenbesitzer-Ehefrau an. „Ja, die Batterien“, sagt sie. „Das Problem gab es ja früher gar nicht. Da hatten die Uhren ein ordentliches Uhrwerk und fertig.“ Natürlich musste man die auch ab und an austauschen. „Aber für diese Zwecke hat mein Mann ein riesiges Ersatzteilager“, sagt sie. Bei dem Stichwort fällt der Uhrenladenbesitzer-Gattin noch eine spannende Geschichte ein.

Ihr Sohn habe früher ein altes Auto gehabt, das ständig in die Werkstatt musste. „Die hatten da auch ein großes Ersatzteillager“, sagt die Frau. „Letzten Monat hat er sich ein neues gekauft. Das wurde ihm aber gleich geklaut.“ – „Hier in Hamburg?“, frage ich und mache das erste Mal aus dem Monolog der alten Frau ein Gespräch. „Nein, nein, wo denken Sie hin? In Bremen“, sagt die Frau und nimmt meine Uhr mit in die Werkstatt. PHILIPP DUDEK