Generationswechsel

Das eigene Unternehmen ist heilig. Wenn es um die Nachfolge geht, zicken viele Alt-Chefs. An der Bielefelder Fachhochschule des Mittelstands kann man lernen, wie man Stress vermeidet

VON ANNE HERRBERG

Jedes Jahr steht in 65.000 Unternehmen in Deutschland ein Wechsel an der Spitze an. Betroffen sind vor allem mittelständische Familienunternehmen. Potenzielle Nachfolger gibt es genug, entweder die eigenen Kinder oder so genannte „Externe“ – Existenzgründer, die kein komplett neues Unternehmen aufbauen wollen, sondern lieber eins übernehmen. Aber viele Chefs wollen den Sessel nicht räumen. „Man trennt sich ja auch nicht gern vom eigenen Kind, wenn man das Gefühl hat, dessen zukünftiger Ehepartner ist unzulänglich“, sagt Eike Krumsig von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Köln, obwohl man das ja im Vorhinein meist gar nicht beurteilen könne. Neulich sei einer bei ihr gewesen und habe gesagt, jetzt, nach der fünften Bypass-Operation, ziehe er langsam eine Nachfolge in Betracht. Eike Krumsig: „Dazu fällt mir dann wirklich gar nichts mehr ein.“

Nicht loslassen können – genau da setzt ein neues Juniorprogramm an, das ab nächstem Semester an der privaten Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Bielefeld angeboten wird. Das studienbegleitende Projekt richtet sich an Jungunternehmer, die vorhaben, bald eine Firma zu übernehmen. Neben Seminaren zu Erbrecht, Unternehmensführung und Mitarbeitermotivation geht es darin vor allem auch um den „psychischen Kram“ bei einer Nachfolge, wie esWolfgang Krüger nennt, Dekan der FHM. Viele Unternehmer-Patriarchen könnten schlicht die Kontrolle nicht abgeben, wollten sich nicht vom Sohn oder Nachfolger in „ihr“ Lebenswerk pfuschen lassen. Krüger: „Das gibt dann Zoff.“

Aber man könne den Wechsel eben auch entspannt gestalten. Krüger empfiehlt eine Art „Nachfolgekontrakt“ abzuschließen, in dem alle Details genau geregelt sind. Auch, wann und wie eine „symbolische Schlüsselübergabe“ stattfindet. „Ich hatte mal ein Tischlerunternehmen, da haben dann die Mitarbeiter einen neuen Schreibtisch für den Sohn gezimmert und damit war für alle klar: Jetzt haben wir einen neuen Chef.“ Wichtig sei aber, dass es eine Übergangsphase gebe, in der der Senior zwar noch als Berater fungiere, aber eben keine Entscheidungsfunktion mehr habe.

Eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge bedeutet eine Menge Papierkram und Diskussionen. Sven Haase etwa, 26 und Student an der FHM, ist sehr froh, dass an der Hochschule auf den „großen Schritt“ vorbereitet wird. Schließlich wird er in drei Jahren das erfolgreiche Familienunternehmen in der fünften Generation übernehmen. Drei bis fünf Jahren muss man etwa einplanen, soll der Wechsel an der Unternehmensspitze reibungslos verlaufen. Kümmert man sich aber nicht rechtzeitig darum und findet nicht rechtzeitig einen passenden Nachfolger, bevor der alte Firmenchef abtritt, kann das bedeuten, dass der Laden dicht machen muss. „Jedes Jahr trifft das rund 5.000 Unternehmen in Deutschland, und betroffen sind oft pro Unternehmen 30 bis 40 Mitarbeiter“, rechnet Krüger vor.

Generationswechsel im Unternehmen ist ein volkwirtschaftliches Problem. Eike Krumsig kann da nur zustimmen. Zusätzlich zu dem Juniorprogramm wünscht sie sich auch ein Seniorprogramm „Erfolgreich abgeben“. Denn Workshops und Seminare zum Thema „Unternehmensnachfolge“ biete die IHK auch an, nur würde eben kaum einer kommen.