Was kann ich und wo will ich hin?

COACHING Wer sich beruflich entwickeln möchte, kann sich von einem Coach auf die Sprünge helfen lassen. Dabei ist Eigeninitiative gefragt. Nur wer seine Stärken und Schwächen kennt, kann sich selbst neue Ziele stecken

Die Chemie muss stimmen. Oft entscheidet schon ein Foto, ob ein Coach in Frage kommt

VON TILMAN VON ROHDEN

Selbstständigkeit ist angesagt. Wer keinen Job hat, soll sich halt selber einen schaffen. Was dabei beachtet werden sollte, erklärt Gründercoach Norbert Naujoks. Er schätzt, dass von den 35.000 Berliner Existenzgründern nur 1 bis 2 Prozent solche Dienste in Anspruch nehmen. Das sei bedauerlich, denn nach Untersuchungen hätten Gründer mit einer professionellen Begleitung eine 50 Prozent höhere Überlebenswahrscheinlichkeit. Naujoks ist in das Förderprogramm „Gründercoaching Deutschland“ eingebunden, das die staatliche KfW-Bank finanziert. Existenzgründer, die in das Programm aufgenommen worden sind, bekommen einen Coach zur Seite gestellt, mit dem in der Gründungsphase das ABC des Unternehmers praktisch wird: Buchführung, Controlling, Marketing, Werbung und andere Dinge mehr stehen auf der Agenda.

Naujoks’ Unternehmen kümmert sich mit seinen 20 Beratern in erster Linie um die Vermittlung bestimmter Kenntnisse und Fähigkeiten. Er ist ein Lehrer, der Wissen in Form von Rezepten und Ratschlägen anbietet. Doch das ist nur ein Randaspekt im Coaching. Zur Kernklientel dieser Branche zählen vor allem Berufstätige, die bereits fest im Sattel sitzen, sich aber weiterentwickeln wollen. Die betreffende Person wird vom Coach ins Visier genommen. Anschließend werden Lösungsansätze präsentiert, die der Klient eigenständig umsetzt. Insofern ist Coaching ein aktivierender Individualprozess, dessen Zielsetzung der Klient bestimmt. Dieser Prozess ist kurzfristig. Üblich sind um die zehn Termine, die jeweils zwei oder drei Stunden dauern. Und es geht sogar noch kompakter: „Eine größere Zahl separater Stundensitzungen hat den Nachteil, dass man sich immer wieder warm laufen muss“, sagt Caroline Krüll, Coach aus Berlin, die ihren Klienten unter dem Label Marke:Ich Techniken der Selbstvermarktung vermittelt. „In ein bis zwei ganztägigen Veranstaltungen kommt man dabei schneller zu Lösungen.“

Nach Angaben von Christopher Rauen, einem Coach, der eine Datenbank für Anbieter und Nachfrager betreibt, werden 80 Prozent aller Coachings von Unternehmen initiiert, die die Maßnahmen auch finanzieren. Das Coaching sei aus der Sicht eines Unternehmens ein „Entwicklungshilfeangebot“, um neue Aufgaben besser zu bewältigen oder bestehende Tätigkeiten zu optimieren. Das „Angebot“ des Unternehmens sei unverbindlich. Allerdings könne man sich ausmalen, was passiere, wenn es abgelehnt würde. Viele Klienten kämen deshalb mit „Vorbehalten“ zu ihm. Er rede offen über die Situation nach dem Motto: Probiere mich aus, du hast nichts zu verlieren.

Im Coaching herrscht methodischer Wildwuchs: Viele Werkzeuge eines Coaches stammen ursprünglich aus der Verhaltenstherapie, insbesondere der Kurzzeittherapie. Allerdings versteht sich ein Coach nicht als Therapeut. Ein Coach versuche nicht „etwas wegzutherapieren“, sondern mit dem Klienten Lösungen zu erarbeiten, wie man mit beruflichen Anforderungen besser umgehen könne, sagt Holger Kuntze, ein Berliner Coach, der zugleich ausgebildeter Psychotherapeut ist. Dies ist eine Ausnahme. Die meisten Coaches kommen aus dem Bereich Training, waren früher Manager oder Personalentwickler, klassische Unternehmensberater oder Organisationsentwickler. Nach einer mehr oder weniger intensiven Ausbildung, die nicht gesetzlich festgelegt ist, können sie sich dann als Coach bezeichnen. In die Datenbank von Christopher Rauen werden nur Coaches aufgenommen, die bestimmte Mindestqualifikationen erfüllen. Von den rund 360 Ausbildungseinrichtungen für Coaches akzeptiere er 74. „Beliebtheit ist nicht unser primäres Ziel“ kommentiert er.

Nicht ganz einfach sei es, im „bunten Markt“ einen geeigneten Coach zu finden, so Rauen. Er rate mehrere Angebote einzuholen und den Coach vor Beginn seiner Arbeit persönlich kennen zu lernen: „Denn vieles hängt von der Chemie zwischen den Beteiligten ab. Die Chemie muss auf jeden Fall stimmen.“ Oft entscheide schon ein Foto, ob ein Coach in Frage komme, so Rauen. Meist spielten auch geografische Faktoren oder Branchenkenntnisse ein Rolle, so dass sich das ursprünglich große Angebot schnell auf einige wenige Coaches konzentriere.

Holger Kuntze nutzt seinen besonderen beruflichen Hintergrund für „life coaching“, eine in Deutschland relativ selten anzutreffende Spielart zwischen Therapie und klassischem berufsbezogenen Coaching. Er überlässt es seinen Klienten, wie sie sein Angebot bezeichnen. Sein Angebot setzte ein bestimmtes urbanes Milieu aus Akademikern und Intellektuellen voraus, die eine therapeutische Begleitung auch dann wünschten, wenn sie nicht ernsthaft psychisch erkrankt seien.

„Ich bin mit meinem Angebot auf ein komplex denkendes urbanes Publikum angewiesen und könnte wohl nur in Berlin, Hamburg oder München existieren.“ Seine Klienten würden oft in Lebenskrisen zu ihm kommen, beispielsweise bei Sinnkrisen oder dem Burn-out-Syndrom. Eine Berufsbezogenheit sei oft nur indirekt vorhanden.