klempner, tapa’s, stalinopfer von WIGLAF DROSTE
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Frank Schätzing hat es geschafft – zumindest in die Thüringer Allgemeine. Das Tagblatt zitiert den Autor, für dessen „Schwarm“ Palettenbuchhändler schwärmen, am 19. September 2006 auf seiner Seite eins: „Ein guter Schriftsteller oder Maler tut nichts anderes als ein professioneller Klempner.“ Genauso schreibt Schätzing ja auch: wie Fallrohr und Gummimuffe.

Die Thüringer Allgemeine las ich in Gotha, einer Stadt, von der kundige Reisende seit Jahrhunderten sagen, sie sei „eine der schönsten Italiens“. Ich möchte da nicht widersprechen – sondern im Gegenteil ergänzen: Was für die Stadt gilt, gilt für das Land. Thüringen ist eine der schönsten Landschaften Italiens. Nur leerer, leiser, nepp- und remmidemmifreier.

Wer im trostlos preußischen Berlin-Brandenburg kasemattig einsitzt, entdeckt das gleichermaßen kultivierte wie liebliche Thüringen ohnehin mit größten Freuden. Und kann sich dem Schriftsteller Friedrich Gottlob Wetzel (1779 bis 1819) anschließen, der von den „tausendfach wechselnden Reizen“, dem „ganz anderen Grün der Bäume“, den „unverwüstlichen Wäldern“ und den „kühnen, gigantischen Felsen“ schwärmte, die „mit ewiger Begeisterung die Allmacht der Natur predigen und die urälteste Geschichte der Erde und das tiefe Wunder ihrer ewigen Metamorphose enthüllen.“ Da wusste einer, was das Wort Schöpfung meint.

Wetzel beobachtete: „Draußen auf dem platten Land lebt der Bauer nahe an der Dumpfheit des Tieres.“ Er kam zu dem Schluss: „Manche Quadratmeile Thüringer Boden ist mehr wert, ist denkwürdiger als die ganze Mark Brandenburg samt Pommerland.“ Das heutzutage stark von NPDisten durchstunkene Pommerland kenne ich nicht aus persönlicher Anschauung; was aber die Haste-mal-’ne-Mark-Brandenburg angeht, irrte Wetzel nicht. Die kann man knicken.

Das heutige Gotha dagegen geizt nicht mit Glanz und hat auch Überraschungen im Angebot: „Was dem Münchner der Durst / ist dem Gothaer ‚Wurst‘ “, heißt es auf einem Schild im Schaufenster der Fleischerei Purschke. Das ist Thüringer Wursttradition; gleich nebenan lockt die Moderne, „JoJo’s Spanische Tapa’s + Cocktailbar“. Das Lokal ist geschlossen, auf einem Aushang im Fenster wird mitgeteilt: „Aus gesundheitlichen Gründen ist dieses Geschäft zu vermieten!“ Ob sich da jemand an seinen Apos’trophen verschluckt hat?

Im Hinterhof des Lucas-Cranach-Hauses finden sich drei reservierte Parkplätze. Der linke gehört der Verbraucherzentrale, der rechte den Rollstuhlfahrern, und der mittlere trägt stolz den Titel „Opfer des Stalinismus“. Wunderbar – das haben sie sich erkämpft, unsere Opfer des Stalinismus, das kann ihnen keiner mehr wegnehmen: einen Parkplatz in einem Hinterhof in Gotha, und wenn da so ein Stalinist einmal unbefugt parkt, dann können seine Opfer ihn aber so was von legal und flink anzeigen und abschleppen lassen.

Es ist das Leben im freien Konsumismus. Ob Klempnerautor oder Berufsopfer des Stalinismus, es gilt das Prinzip: je weniger Substanz desto Konjunktur. Das lebenslänglich gewährte Gratisparkenmüssen neben der Verbraucherzentrale sei allen Beteiligten von Herzen gegönnt.