Fliegendes Tütenobjekt

Weltraumschrott gefährdet Satelliten und Raumfahrt. Jetzt sorgt eine Plastiktüte für Angst und Schrecken

Eines von fünf unbekannten Flugobjekten, die während der letzten Tage in der Nähe des Spaceshuttles „Atlantis“ beobachtet wurden, könnte eine Plastiktüte gewesen sein. Darauf tippt zumindest die Nasa. „Wie die dahin gekommen sein könnte, weiß ich nicht,“ erklärte Heiner Klinkrad, Leiter der Abteitung „Space Debris“ im Raumflugkontrollzentrum der Europäischen Weltraumorganisation ESA, gegenüber der taz. Von Darmstadt aus beobachtet Klinkrad Weltraumschrott: Objekte, die von Menschen hergestellt wurden und sich ohne eine Aufgabe zu erfüllen, in einer Umlaufbahn um die Erde befinden.

Insgesamt gibt es fast 600.000 dieser Schrottteile, schätzt Klinkrad. Das können alte Satelliten oder die Oberstufen von Raketen sein. Auch „Wegwerfartikel“ wie Andockklammern, die in einer Mission nur einen kurzen Auftritt hatten, kreisen danach um die Erde. Bei den meisten Müllobjekten, die man von der Erde aus beobachten kann, handelt es sich um Explosionstrümmer. Klinkrad: „Zu Beginn der Raumfahrt hat man noch nicht so sorgfältig gearbeitet. Zuerst explodierte 1960 eine Raketenoberstufe.“ Fast 200 weitere Explosionen folgten.

Zeitweilig kreiste auch die Kamera des Astronauten Michael Collins um die Erde: Er hatte sie 1966 während der „Gemini 10“-Mission verloren. Auch eine Zahnbürste wurde bereits im Orbit gesichtet. Die meisten Trümmer sind kleiner als 1 Zentimeter, rund 20.000 sind größer als 10 Zentimeter. Gefahr geht von jedem dieser Objekte aus, da sowohl sie als auch Satelliten, Spaceshuttles und die Internationale Raumstation (ISS) mit einer Geschwindigkeit von bis zu 15 Kilometer um die Erde kreisen – pro Sekunde. Gelegentlich ändert die ESA sogar den Kurs ihrer Satelliten, damit diese nicht mit Schrott kollidieren.

Es ist schwierig, Müll aus dem Weltall zu entfernen. Deshalb wird heute versucht, die Entstehung von Weltraummüll zu verhindern. Ausgediente Satelliten, die sich in einer erdnahen Umlaufbahn befinden, werden kotrolliert zum Absturz gebracht. Ein Teil verglüht dann beim Eintritt in die Atmosphäre, der Rest stürzt ins Meer. Ein Schicksal, dass auch die russische Raumstation „Mir“ ereilte. Objekte, die sich in 35.786 Kilometer Höhe im geostationären Orbit befinden, werden am Karriereende um 300 Kilometer angehoben. Dort befindet sich eine „Friedhofsbahn“.

In der ISS wird erstmals ein Schutz gegen Weltraummüll eingesetzt. Vor den bemannten Teilen der Station wurde ein dünner Schild installiert, der beim Aufprall von Trümmern Schockwellen aussendet, die den Müll zerkleinern sollen. Dieses System funktioniert allerdings nur bei Objekten mit einem Durchmesser, der kleiner als 1 Zentimeter ist. „Gegen eine Aldi-Tüte schützt das nicht“, sagt Klinkrad, „vor allem nicht, wenn da noch etwas drin ist.“ MARIUS MEYER