Kiel will zum Las Vegas des Nordens werden

GLÜCKSSPIEL Schleswig-Holstein plant, den Markt für Pferdewetten und Onlinecasinos zu öffnen

HAMBURG | Das Spiel ist eröffnet: Mit den Stimmen von CDU und FDP hat der Landtag von Schleswig-Holstein beschlossen, sich für eine Neuordnung des Glücksspielmarktes einzusetzen. Dabei soll Lotto weiter dem staatlichem Monopol unterliegen, Sport- und Pferdewetten sowie Onlinecasinos aber von privaten Anbietern betrieben werden dürfen. „Daddelautomaten“ sollen nicht verstaatlicht werden. Das Konzept könnte Grundlage eines neuen Glücksspielstaatsvertrages sein, nachdem der europäische Gerichtshof den jetzigen gekippt hat. Unter anderem hatte das Gericht kritisiert, dass die Bundesländer das Lottomonopol mit Suchtgefahr begründeten, aber Werbung zuließen.

Die steigende Suchtgefahr kritisieren die Gegner einer Marktöffnung: „Umsatzsteigerung und Sucht gehören eng zusammen“, warnte Andreas Beran (SPD).

Die Befürworter, allen voran der Kieler CDU-Abgeordnete Hans-Jörn Arp, kontern: Heute tummeln sich die meisten Spieler im Internet, illegal und ungeregelt. Erlaube der Staat privates Glücksspiel, könnte er Falschspieler stoppen und bei den legalen Anbietern kassieren. Wettunternehmen würden mit Sponsoring den Profisport unterstützen. Breitensport und Wohlfahrt profitierten – dank Lockerung des Werbeverbots – von mehr Lottospielern.

Erwin Horak ist als Vertreter des staatlichen Sportwettenanbieters Oddset und des Deutschen Lotto- und Totoblocks der schärfste Kritiker einer Marktöffnung. Das „Kommerzmodell“ würde das staatliche Monopol mitreißen, warnte er. Und ein Gutachten fragt, warum Firmen nach Deutschland kommen sollten, wenn sie per Internet ohnehin mitspielen. „Es nervt“, sagt Jörg Wacker vom Casino- und Wettanbieter Bwin. „Wir zahlen in anderen Ländern Steuern, wir werden hier Steuern zahlen.“

Aber gerade die Öffnung für Onlinecasinos sei problematisch, fürchtet der Düsseldorfer Verwaltungsrechtler Johannes Dietlein: Aufgrund hoher Suchtgefahr stellten Gerichte hier den Gesundheitsschutz vor wirtschaftliche Interessen. Es sei schwierig, Glücksspiel als normales Gewerbe zu behandeln.Trotz des Streits: Die Zustimmung für den Vorschlag aus Schleswig-Holstein wächst, mutmaßlich. Mehrere Bundesländer und eine Reihe von Landessportverbänden liebäugeln mit dem Modell. Kommt es nicht zu einem Staatsvertrag, hat Schleswig-Holstein einen Alleingang angekündigt. ESTHER GEISSLINGER