Den Zweifel verspielt

MOZART Von einem Schauspielregisseur erwartet man mehr: Andreas Kriegenburg enttäuscht mit einem albernen „Così fan tutte“ in der Semperoper Dresden

Heute lässt sich die Qualität einer Inszenierung daran messen, wie man im „così fan tutte“ das „così fan tutti“ aufspürt, das die Männer einschließt

Nur auf den ersten Blick ist „Così fan tutte“ eine alberne Maskerade. Wie glaubwürdig ist es schon, dass die beiden Schwestern Fiordiligi und Dorabella ihre beiden Liebhaber Guglielmo und Ferrando nicht erkennen, nur weil die sich exotisch verkleiden. Um sich dann, nach gutem Zureden durch die lebens- und männererfahrene Zofe Despina prompt in den Partner der anderen zu verlieben.

Nimmt man den Spielmacher dieser „Schule der Liebenden“, Don Alfonso, beim Wort, dann kommt sie als eine zynische Wette daher, die den Männern vorführt, dass ihre Frauen keine treuen Idealwesen sind. Sondern aus Fleisch und Blut. So sind sie eben, die Weiber, würde da der Stammtisch der Machos dazu nicken, „così fan tutte“, so fasst es Alfonso zusammen. Wobei sich das „tutte“ im Titel allein auf die Frauen bezieht. Doch auch wenn die am Ende, wenn ihre Scheinhochzeit mit den „falschen“ Männern aufgeflogen ist und die „richtigen“ Männer aus dem fingierten Kriegseinsatz zurück sind, dumm dastehen, bleibt das Fazit dieses genialen musikalischen Laborexperiments eine Verwirrung der Gefühle auf allen Seiten.

Bringt man dieses Stück von 1790 heute auf die Bühne, dann lässt sich die Qualität einer Inszenierung daran messen, wie man im „così fan tutte“ das „così fan tutti“ aufspürt, das die Männer einschließt. Dass man hört und sieht, dass Mozart und Daponte das Leben im Ganzen kannten und in der Komödie das Tragische oder vielleicht einfach nur das Wahre, Menschliche mitlieferten.

Denn auch die Männer kommen im Stück ins Zweifeln, lernen etwas über sich selbst und über die jähen Wendungen für die Lebensplanung, die erotische Anziehungskraft und die passende Gelegenheit so verursachen können. Eigentlich ist dieses „Dramma giocoso“ Mozarts zwar augenzwinkernd verpackte, aber doch „modernste“ Oper: aus vorrevolutionärem Geist erwachsen, ein Stück für postemanzipatorische Zeiten. Dass man davon auch etwas zu sehen bekommt, darf man von einem Schauspielregisseur erwarten.

Und gerade da enttäuscht der Abend. Natürlich steuert auch Andreas Kriegenburg den neu gewonnenen Zweifel der Liebenden an der Dauerhaftigkeit ihrer Gefühle bei. Als kleine Geste der Entschuldigung für die Maskerade. Aber es bleibt beim einmal gegebenen Wort, und in dieser Ausgangskonstellation ziehen die Paare ab. Vermutlich auf ihren Lebensweg.

Und das geht beschwerlich bergan. So könnte man jedenfalls das Schlussbild deuten und auch die dauerroutierende Scheibe auf der sterilen Drehbühne von Harald Thor. Doch im Zusammenspiel mit den Kostümen von Andrea Schraad, die vor allem bei den von der Stummfilmoptik angehauchten Hosen für die jungen Männer ehrlich gesagt ziemlich bescheuert wirken, und die aus den Frauen, die albernen, dümmlichen Teenager machen, als die sie sich die ganze Zeit auf der schräggestellten Drehscheibe bewegen müssen, entsteht eine Daueralbernheit, die selbst beim Zuschauen anstrengt. Dazu wehen im ersten Akt Tücher aus dem Schnürboden. Im zweiten gibt es Gartenbänken und Lichterketten vor jetzt rotem Rundhorizont. Der Chor singt wie der Dresdner Opernchor immer singt, nämlich fabelhaft. Kostümiert ist er mit seinen Bauchbinden so albern wie selten.

Was aber zum ganzen Rest passt. Weil der Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Christian Thielemann heißt und sich mit seinen überschaubaren Einsätzen im Graben der Oper auf die Hausgötter Richard Wagner und Richard Strauss konzentriert, gibt’s bei Mozart eine Chance für den Dirigentennachwuchs. Und da packt Omer Meir Wellber zu. Vom Hammerklavier aus und mit einigem Furor. Wenn auch nicht immer siegreich im Kampf gegen die akustischen Tücken des weiten Raums, in den das ja eigentlich intime Kammerspiel versetzt wird.

Vokal gibt Georg Zeppenfeld als Don Alfonso einen Maßstab vor, an dem sich Ute Selbig (Despina), Rachel Frenkel (Dorabella) oder auch Christopher Tiesi (hörbar) vom Jungen Ensemble als Ferrando orientieren können. Wobei Christoph Pohl als markanter Guglielmo und Rachel Willis-Sørensen, die ihre Fiordiligi gelegentlich mit einem wagnerreifen Ausbruch aufpeppt, dabei am weitesten kommen.

Im neuen Programm ist eine Fortsetzung des Daponte-Zyklus mit Figaros Hochzeit vorgesehen. Mittlerweile muss man sagen: zum Glück nicht mit Kriegenburg. JOACHIM LANGE

■ Weitere Aufführungen: 30. 3.; 3., 5., 6., 8. 4. www.semperoper.de