Verpackung sorgt für Abwehrreflexe

Was für jüngere Menschen nur ein Ärgernis ist, wird für ältere zum echten Problem. Die Folie um die Wurst lässt sich nicht öffnen, Verfallsdaten sind unlesbar. Die Wirtschaft reagiert darauf bislang kaum. Dabei geht es um einen wachsenden Markt

VON SUSANNE SCHWARZ

Erika Neubauer, Jahrgang 1942, wirkt zerbrechlich. Ihre Stimme aber ist fest und ihre Sprache deutlich. „Abwehrreflexe“ habe sie mittlerweile. Schon morgens beim Frühstück. Die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (Bagso) kämpft jeden Morgen mit eingeschweißten Lebensmitteln. Wurst - und Käsewaren etwa. Was für Jüngere oft nur ein zeitraubendes Ärgernis ist, wird für ältere und weniger bewegliche Menschen zum echten Problem. Das sehen 71 Prozent der Senioren so, 41 Prozent bekommen mehrmals pro Woche eine Verpackung nicht auf Anhieb auf.

Das ist Ergebnis einer Befragung, die die Bagso unter Senioren durchgeführt und vorgelegt hat. 1999 ging eine ähnliche Befragung schon mal vonstatten, die Antworten waren fast gleich. Nur bei einer Antwort gebe es signifikante Änderungen. Die Zahl derer, die angaben, das nächste Mal ein anderes Produkt zu kaufen, wenn sie mit der Verpackung des ersten unzufrieden sind, ist von 34 auf 57 Prozent gestiegen. Neubauer hofft, das könnte ein Alarmsignal für die Wirtschaft sein. Dort galt nämlich bislang die Maxime, dass ältere Menschen extrem markentreu seien. Das, so Neubauer, sind Senioren gerade nicht mehr. Grund zu handeln, denn die Pro-Kopf-Kaufkraft von Menschen über 50 ist 10 Prozent höher als bei den unter 49-Jährigen. Man muss also bei der Verpackung was ändern, will man mittelfristig Geld verdienen. Denn jeder Zweite ist heute über 42. Doch das scheint bei Herstellern noch nicht angekommen zu sein. Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Verpackungsinstituts (DVI) Thomas Reiner sagt: „Ärger über und mit Verpackungen ist der Regelfall.“ Das Problem sei also nicht neu, man habe es nur noch nicht gelöst.

Hilfe könnte aus Iserlohn kommen. Dort hat die deutsche Gesellschaft für Gerontotechnik (GGT) ihren Sitz. Diese setzt sich, wie die Bagso, nicht für „Seniorenpackungen“ ein, sondern einfach für nutzerfreundliche. Die Generation 50+ habe allenfalls eine Lupenfunktion, welche generell bestehende Probleme nur verdeutlicht, glauben Bagso und die GGT. Denn Verpackungen sind bei weitem nicht nur ein Problem der Alten, denkt man nur an die portionierte Kaffeesahne oder die Fischdose: Der Nippel ist nicht auffindbar, die Lasche reißt. Der Ohrwurm ist perfekt. Und die Misere verschärft sich noch im Alter. Wegen der nachlassenden Farbwahrnehmung verschwimmt das wunderschöne Meeresgrün und die Schrift in Himmelblau verschwindet im Einheitsgrau. Da fragt sich so mancher treue Kunde irgendwann, „was die mit der Verpackung gemacht haben“. Und kauft das Produkt nicht mehr.

Von solchen Erfahrungen erzählt Martina Koepp, Geschäftsführerin der GGT. Koepp ist Jahrgang 1964. Vielleicht betreibt sie eine Art persönliche Vorsorge. „Ältere Menschen sind die Kunden der Gegenwart“, das will sie der Wirtschaft vermitteln. Damit es die perfekte Verpackung nicht nur in der Natur gibt, dort in Form einer Banane, brauche es eigentlich nicht viel, sagt sie. Leichtes Öffnen ohne Werkzeuge, intuitive Nutzung, keine Verschmutzung beim Öffnen. Das Ganze dann noch in hellen Farbtönen. Gelb, orange, rot etwa. Und eine größere Schrift. Denn zwei Drittel aller älteren Menschen können das Haltbarkeitsdatum nicht lesen. So mache es bereits die Pharmaindustrie, sagt Koepp. Und auch bei Sanitärprodukten gebe es Lichtblicke.