Waffen für Mexiko

Über 100.000 Menschen wurden im mexikanischen Drogenkrieg bisher erschossen. Eine Tagung beleuchtet die Rolle der deutschen Waffenexporteure

■ „Gewaltsame Abhängigkeiten“ – Mexiko, Deutschland und der Waffenhandel

Freitag, 28. März

Von 10 bis 16 Uhr, im Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin (Raum 201), Rüdesheimer Straße 54–56

Das Programm im Netz: www.mexicoviaberlin.org

Deutschland gehört nach wie vor zu den größten Waffenexporteuren der Welt. Gerade erst veröffentlichte das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri einen neuen Bericht, aus dem hervorgeht, dass Deutschland bei dem Verkauf von Waffen ins Ausland zurzeit auf Platz drei liegt. An erster Stelle stehen die USA mit einem Marktanteil von 29 Prozent, gefolgt von Russland mit 27 Prozent. Zwar ist der Anteil Deutschlands am Weltmarkt auf sieben Prozent zurückgegangen, dennoch bleibt das Land der größte Lieferant von U-Booten und – nach Russland – von Panzern. Insgesamt nahm der internationale Handel mit Waffen um 14 Prozent zu. Die Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum zwischen 2009 und 2013. Sipri veröffentlicht seit 1950 regelmäßig seine Statistik, in dem die größten Verkäufer und Käufer von Waffen aufgelistet sind.

Die Waffengeschäfte Deutschlands mit Mexiko werden morgen Thema auf einer Konferenz an der Freien Universität Berlin sein. Unter dem Titel „Gewaltsame Abhängigkeiten: Mexiko, Deutschland und der Waffenhandel“ lädt der Verein Mexiko via Berlin von 10 bis 14Uhr in das Lateinamerika-Institut am Breitenbachplatz in Dahlem. Genauer ist Folgendes geplant: Nach der Eröffnungsrede des Zeit-Journalisten und Rüstungsexperten Hauke Friedrichs folgt ein Vortrag des taz-Autors Wolf-Dieter Vogel über den Waffenhandel zwischen der Rüstungsfirma Heckler & Koch und der mexikanischen Regierung, bevor dann der Rüstungsexperte Alexander Lurz über die Schlupflöcher im deutschen Rüstungsexportkontrollsystem sprechen wird. So gibt es seit Neuem die Praxis, Waffenlizenzen zu verkaufen, um Auflagen der Bundesregierung zu umgehen.

Im Anschluss daran wird der Verein zwei neue Forschungsergebnisse präsentieren: Die Journalistin Amrai Coen geht der Frage nach, ob es Waffenpiraterie zwischen Deutschland und Mexiko gibt. So besteht der Verdacht, dass mexikanische Fabriken Waffen nach deutschen Plänen herstellen. Konkret geht es hierbei um das Standardgewehr FX-05 Xiuhcoatl der mexikanischen Streitkräfte, das dem deutschen Sturmgewehr G 36 ähneln soll. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Waffe mit Beteiligung von Heckler & Koch hergestellt wurde. Der Doktorand und Politikwissenschaftler Carlos Pérez Ricart hingegen hat Waffenlieferungen Deutschlands an die lateinamerikanischen Diktaturen im 20. Jahrhundert untersucht. So gebe es Beweise dafür, dass in den 70er und 80er Jahren Diktaturen in Bolivien, Chile, Peru, Venezuela und Mexiko aus Deutschland mit Waffen versorgt wurden.

Mexiko via Berlin hat sich 2011 als Verein gegründet. Die Gruppe ist ein Zusammenschluss aus Studierenden, Aktivist_innen und interessierten Einzelpersonen. Mit ihrer akademischen Arbeit will sich die Gruppe von Deutschland aus für die Probleme in Mexiko engagieren, indem sie hierzulande Einfluss auf die Politik nimmt. Zum einen organisiert die Gruppe Konferenzen, Vorträge und Demonstrationen, nimmt an Expertenrunden teil und veröffentlicht eigene Forschungsberichte. Zum anderen möchte sie mit ihrer Arbeit den sozialen Bewegungen in Mexiko und Deutschland Wissen und Argumente für ihr politisches Engagement liefern. Carlos Pérez Ricart, Mitbegründer der Gruppe, beschreibt das Selbstverständnis wie folgt: „Wir forschen für die Bewegung. Wissenschaft und Politik gehen Hand in Hand“, sagt der Wissenschaftler.

Für Carlos Pérez Ricart ist die Politik Deutschlands widersprüchlich. Auf der einen Seite gebe man sich als Friedensschützer. Auf der anderen Seite beliefere man Krisenregionen mit Waffen. Dabei bezieht sich der Wissenschaftler auf den Fall Heckler & Koch, der zurzeit die Stuttgarter Staatsanwaltschaft beschäftigt. Diese ermittelt wegen des Verdachts, dass das Waffenunternehmen gegen die Erlaubnis der Regierung G 36-Gewehre in vier instabile Provinzen Mexikos geliefert hat.

Aber auch generell kritisiert Pérez Ricart den Export von Waffen nach Mexiko, weil sich das Land wegen des Drogenkriegs im Ausnahmezustand befinde. Insgesamt seien in Mexiko seit dem Jahr 2005 über 100.000 Menschen durch den Einsatz von Waffen ums Leben gekommen, berichtet Pérez Ricart. Diese hohe Zahl sei auch in der erhöhten Zahl von Waffenimporten zu suchen. „Je mehr Waffen es gibt, desto mehr Menschen sterben“, sagt er.

Wer bei der Gruppe Mexiko via Berlin mitmachen möchte, ist eingeladen, zu den regelmäßigen Treffen kommen. Die Gruppe trifft sich jeden zweiten Samstag in den Räumen der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

LUKAS DUBRO