nebensachen aus prag
: Verschnaufpause für die grüne Lunge am autofreien Wochenende

Am einzigen autofreien Wochenende in diesem Jahr ist der Smetana-Kai zur Fußgängerzone ausgerufen worden. Da hat sich gezeigt, was für eine tolle Promenade dieser Boulevard zwischen Karlsbrücke und Nationaltheater eigentlich sein könnte. Auf der einen Seite sind bunt renovierte Prachtbauten zu bewundern, auf der anderen Seite fließt die Moldau, und der Blick fällt auf den Hradschin und die grüne Lunge des alten Prags, die zu Deutsch Laurenziberg, auf Tschechisch Petrin heißt. Doch normalerweise, an den 363 nichtautofreien Tagen im Jahr, ist ein Spaziergang am Smetana-Kai ein gesundheitliches Wagnis. Die breite Uferstraße gehört zu den Hauptverkehrsadern Prags und ist an den meisten Tagen hoffnungslos verstopft.

Die Gefahr lauert nicht nur in den Kohlenmonoxidschwaden, sondern auch im Selbstverständnis des durchschnittlichen tschechischen Autofahrers. Hier gibt es sie noch en masse, die sogenannten Verkehrsrowdys. So altertümlich das Wort auch klingt, so macht es ebenso wenig Anstalten auszusterben wie der Vokuhila-(vorne kurz, hinten lang)-Schnitt oder das türkisfarbene Sakko. Genauso hartnäckig wie weiße Socken in Sandalen trotzen die Verkehrsrowdys jeder gesellschaftlichen Veränderung.

Obwohl die Prager über ein gut ausgebautes, schnelles, verlässliches und dazu auch noch preisgünstiges Nahverkehrssystem verfügen, fahren sie lieber Auto. Das kostet natürlich viel mehr Zeit und viel mehr Nerven als in der Straßenbahn oder Metro. Denn an Werktagen wird die Prager Innenstadt von Autos regelrecht überflutet. Es staut sich, wo es sich nur stauen kann. Da bekommt die Fahrt von A nach B natürlich ihre besondere Dynamik. Vor allem der Fußgänger wird zum Feind. Denn hat man sich erst einmal aus den sich langsam dahinwälzenden Blechlawinen befreit, die tagein, tagaus die Prager Hauptstraßen wie den Smetana-Kai oder auch die Stadtautobahn verstopfen, sind es meist die Fußgänger, die sich einer ungebremsten Fahrt in den Weg stellen. Sie laufen über Zebrastreifen und grüne Ampeln, zwingen einen dazu, langsam zu fahren oder gar anzuhalten. Da macht nicht jeder leidgeprüfte Autofahrer mit. Schnell noch über die Ampel, obwohl die längst Rot zeigt, mit Vollgas auf den Zebrastreifen, weil die Gruppe von Fußgängern dort schon auf der Hälfte angelangt ist. Was das Radfahren in Prag betrifft, so kann das nur mit zwei Worten beschrieben werden: bloß nicht.

Inzwischen hat sich der Staat eingeschaltet. Seit 1. Juli dieses Jahres gilt eine neue Straßenverkehrsordnung. Von nun an gibt es für Verkehrsrowdytum Punkte und Bußgelder. Unter 30 Euro geht da nix mehr, selbst ein unzulänglich im Fahrzeug gesicherter Hund kostet schon das Doppelte. Ob es dem Staat nun wirklich darum geht, den Straßenverkehr zu sichern, oder ob er gemerkt hat, welch potenzielle Einkommensquelle sich hier auftut, sei dahingestellt.

Früher, da konnte man fahren wie die Sau. Hatte man das Pech, erwischt zu werden, bestach man den Wachtmeister mit ein paar Kronen. Man kam jedenfalls recht billig davon. Jetzt muss man beim Bestechen mehr löhnen, meinen Kritiker der neuen Ordnung. Nicht mal daran denken musste ein Verkehrssünder, der mit Tempo 190 anstatt der vorgeschriebenen 130 auf der Autobahn erwischt wurde: Der Polizeipräsident machte allen vor, was er von den neuen Regeln hält. Oder wie gut er verdient.

ULRIKE BRAUN