Ein juristischer Zirkel

ARBEITSRECHT Mit der Kündigung des Elektronikers Muharrem D. durch die Baubehörde befasst sich das vierte Gericht. Richter soll sich selbst korrigieren

Vor der Kündigung eines Mitarbeiters sind Betriebs- oder Personalräte anzuhören. Diese haben die Aufgabe, „genau zu prüfen“, ob eine Kündigung gerechtfertigt ist.

■ Unwirksam ist die Kündigung auch dann, wenn der Personal- oder Betriebsrat zugestimmt hat, die Anhörung jedoch nicht objektiv oder fehlerhaft war.

■ Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann das Arbeitsgericht verfügen, wenn das Arbeitsverhältnis als „zerrüttet“ gilt. Dies ist oft in kleinen Betrieben der Fall. Die Stadt Hamburg hat aber 100.000 Beschäftigte.

Muharrem D. ist verzweifelt: Mit der juristischen Vorgeschichte sieht der 36-jährige Elektroniker kaum Chancen, im Dezember vorm Landesarbeitsgericht Recht zu bekommen. „Ich frage dauernd Gott“, sagt D., „warum sich alle gegen mich verschworen haben.“

Der schwer behinderte Familienvater war 15 Jahre lang bei der Baubehörde tätig. Aufgrund seiner Behinderung lehnte er gewisse Arbeiten ab und legte dafür Atteste vor. Das führte zu Streit mit dem Vorgesetzten. Dabei soll er gedroht haben. „Ich bringe das Geschwür zum Platzen.“

Muharrem D. wurde gekündigt, der Personalrat stimmte zu – ohne ihn anzuhören. Arbeitsrichterin Elke Mascow erklärte die Kündigung deswegen für rechtswidrig, zumal der betroffene Vorgesetzte zugab, D. mit dem Schimpfwort „Arschloch“ provoziert zu haben. Gleichzeitig löste Mascow aber das Arbeitsverhältnis mit der inzwischen von der grünen Anja Hajduk geleiteten Stadtentwicklungsbehörde wegen „Zerrüttung“ auf. Vor dem Landesarbeitsgericht kam es noch dicker: Der Vorsitzende Richter Rainer Schaude äußerte grundsätzliche Zweifel, dass die Personalrats-Anhörung ausgeblieben war. Das Gericht bestätigte den Rausschmiss und ließ keine Revision zu. D.s Anwalt Rolf Geffken legte dennoch Protest vorm Bundesarbeitsgericht ein. Und es geschah, was nur in zwei Prozent der Fälle geschieht: Das Bundesarbeitsgericht nahm die Revision an. Es monierte, dass der Personalrat Muharrem D. keine Gelegenheit gegeben habe, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen.

Doch dann gaben die Bundesrichter den Fall zur erneuten Entscheidung an dieselbe Kammer des Landesarbeitsgerichts zurück. Noch vor der Verhandlung, statt Beweiserhebung, verlangte das Gericht von D. einen Beweis dafür, dass er vom Personalrat nicht ordnungsgemäß gehört worden sei. „Er verlangt von mir eine nicht mögliche Präzisierung“, sagt D. Sein Anwalt Geffken stellte daraufhin gegen Schaude einen Befangenheitsantrag: In seiner dienstlichen Äußerung soll Richter Schaude den Bundesrichtern einen „offensichtlicher Fehler“ unterstellt haben.

Dennoch lehnte die dritte Kammer des Landesarbeitsgericht den Befangenheitsantrag ab. Dass ein Prozess bei Schaude für D. zuvor zu einer ungünstigen Entscheidung geführt habe, sei grundsätzlich kein Ablehnungsgrund, zumal Richter Schaude deutlich gemacht habe, „dass er die Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts beachten wird“. MAGDA SCHNEIDER