Richter gegen Gebühr

Das NRW-Studiengebührengesetz ist verfassungswidrig, warnt ein Richter am Bundesfinanzhof. FDP-Wissenschaftsminister Pinkwart ist wenig beeindruckt, selbst Gebührenkritiker sind skeptisch

VON DIRK ECKERT

Die Studiengebühren, die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen vom kommenden Wintersemester an erheben dürfen, sind möglicherweise verfassungswidrig. Das geht jedenfalls aus einem Gutachten hervor, das Ludwig Kronthaler, Richter am Bundesfinanzhof, erstellt hat. Der frühere Kanzler der TU München kritisiert darin das bayrische Studiengebührenmodell, das sich an dem NRW-Modell orientiert.

Wie in NRW gibt es in Bayern eine Darlehensregelung, um die Gebühren „sozialverträglich“ zu gestalten. Studierende können zu Studienbeginn ein Darlehen aufnehmen, um ihre Gebühren zu finanzieren. Bei zu geringem Einkommen müssen sie es aber später nicht zurück zahlen. In diesem Fall springt ein Fonds ein, in den zehn Prozent der eingenommenen Gebühren fließen – in NRW sogar 23 Prozent. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, wird diese Regelung laut Kronthaler vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben. Denn der Staat müsse für ein sozialverträgliches Studium sorgen, nicht die Studierenden. Auch seien die Banken bereits durch Zinsen abgesichert.

Kritik übt Kronthaler auch daran, dass die Gebühren in NRW – anders als in Baden-Württemberg – zur Verbesserung der Studienbedingungen verwendet werden müssen. Was für die NRW-Regierung gerade ein Argument war, ist für den Juristen ein „klassischer Fall rechtswidriger Beitragserhebung“: Zweckgebundene Gebühren dürften nicht pauschal erhoben werden.

Bei NRW-Gebührenkritikern stieß das Gutachten aus Bayern auf ein geteiltes Echo. Die SPD sieht sich bestätigt. Die Banken dürften zumindest auf die Darlehen keine marktüblichen Zinsen erheben, kritisierte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, Marc-Jan Eumann. „Mit dem Ausfallfonds sind alle Risiken ausgeschlossen.“ Allerdings hatte sich die SPD erst kürzlich gegen eine Verfassungsklage entschieden. Eumann hält, trotz der juristischen Rückendeckung aus Bayern, diese Entscheidung nach wie vor für richtig. „Mit einer Klage kann man die Einführung von Studiengebühren nicht nachträglich rückgängig machen.“ Letztlich würde das Gesetz nur korrigiert werden, fürchtet er.

Die Grünen im Landtag begrüßten die Kritik aus Bayern zwar. Für verfassungswidrig halten sie das Studiengebührengesetz aber aus ganz anderen Gründen. Insbesondere weil der Gleichheitsgrundsatz verletzt werde, wenn jede Hochschule andere Beträge erheben darf. Noch deutlich wird Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler. Der bekannte Gebührengegner aus Münster gibt der Argumentation von Richter Kronthaler wenig Chancen auf Erfolg. Denn die Studierenden würden für ihre Gebühren einen weitaus höheren Gegenwert bekommen – den Studienplatz. „Was der Staat dann mit den Gebühreneinnahmen macht, ist seine Sache.“

NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) reagierte dagegen nur knapp auf die Kritik aus Bayern. „Unser Gesetz wird sich als gerichtsfest erweisen“, sagte er der taz.