Künftig auch als Single-Auskopplung

PAY-WALL Das niederländische Start-up Blendle will Artikel über ein zeitungsübergreifendes Portal verkaufen – und damit den selbstbestimmten Leser stärken. Gezahlt wird für jeden Text separat. Auch für den deutschen Printmarkt ist das Konzept interessant

VON LAN-NA GROSSE

Die Idee, den Journalismus zu revolutionieren, kam Marten Blankesteijn am Kiosk. „Wir haben uns gefragt, warum gerade junge Leute keine Magazine und Zeitungen mehr kaufen“, sagt der niederländische Journalist. Zwei Jahre später glaubt er, eine Antwort gefunden zu haben: Blendle, ein „iTunes für Journalismus“. Die App, die im April auf den Markt kommen soll, sammelt alle Artikel der meisten niederländischen Printmedien, Nutzer können sie auf der Plattform einzeln kaufen. Zeitungen und Magazine seinen wie „CD-Alben, die man als Ganzes kaufen muss, obwohl man nur ein Lied hören möchte“, sagt Blankensteijn. Blendle bietet Singles an.

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Rund 40 Printmedien der größten niederländischen Verlagshäuser kooperieren mittlerweile mit dem Start-up. Sie entscheiden künftig auch darüber, wie viel ihre Inhalte kosten sollen. Einzige Vorgabe: Die Artikel dürfen nicht kostenlos zur Verfügung gestellt werden und ihr Preis muss im Verhältnis zur Gesamtausgabe stehen. Die Nutzer können nach der Lektüre entscheiden, ob ein Artikel seinen Preis wert war – und ihn bei Nichtgefallen zurückgeben. Je nach interner Kalkulation werden die meisten Texte voraussichtlich zwischen 10 und 25 Cent kosten. Davon gehen 30 Prozent als Provision an Blendle, das bisher durch staatliche Fördergelder und Privatpersonen finanziert wurde – in welcher Höhe, verraten die Macher nicht. Auch Blankensteijn und sein Gründungskollege, TV-Moderator Alexander Klöpping, haben eigenes Kapital investiert. Sie entwickelten die App mit einem Team aus 12 Journalisten, Programmierern und Webdesignern. Mehr als 15.000 Nutzer haben sich bisher für die Betaversion registriert.

Im Netz sorgt die Idee seit Wochen für Furore. Blendle wird als innovative Alternative zu klassischen Bezahlschranken und Metered Paywalls, der Bezahlung ab einer festgelegten Nutzungssumme, gefeiert. Sie gelten als nicht massenkompatibel. Zwar arbeiten Vorreiter wie die Londoner Tageszeitung Times, die New York Times und Medien des Springer-Konzerns seit einigen Jahren mit diesen Modellen. Jedoch mit mäßigem Erfolg. So verlor beispielsweise die Times nach Einführung vor vier Jahren rund zwei Drittel ihrer Online-Leser.

„Es gibt eine größer werdende Gruppe von Menschen, die heute nicht mehr durch Zeitungen erreicht wird. Gerade die unter Dreißigjährigen gehören dazu“, sagt Blankensteijn. Statistiken geben ihm und seinen Kollegen recht, die Auflage deutscher Tageszeitungen sank beispielsweise in den letzten zehn Jahren um rund ein Drittel, gleichzeitig steigt die Nutzungsdauer von Onlinemedien stetig – eine globale Entwicklung.

Deutsche Konkurrenz

Noch immer reagieren die meisten Verlagshäuser darauf mit sogenannten Freemium-Angebote und stellen ihre gedruckten oder zusätzlich produzierten Inhalte umsonst online. Sie bleiben auf der Suche nach einer einträglichen Antwort auf die herrschende Gratiskultur in der Netzgemeinde. Blankensteijn und seine Kollegen sind davon überzeugt, dass ihr Konzept eines journalistischen Gemischtwarenhandels deswegen mittelfristig auch im Ausland Anklang finden wird. Besonders der deutsche Markt ist aufgrund seiner Größe für sie attraktiv.

In einigen Wochen erwartet die Niederländer hier jedoch Konkurrenz: LaterPay, ein Start-up aus München, das von dem Blogger Richard Gutjahr unterstützt wird. Das Modell kann auf entsprechenden Websites implementiert werden und dort zur Zahlung eines festgelegten oder freiwilligen Obulus auffordern. Nutzer müssen sich jedoch erst ab einer Gesamtsumme von fünf Euro registrieren und zahlen ihre zentral verwaltete Rechnung monatlich. Ähnlich wie bei Blendle sollen so aufwendige Registrierungen und unterschiedliche Bezahlmodalitäten umgangen werden. Glaubt man an die Gründungsideen von Blendle, LaterPay und Co., führt der selbstbestimmte Leser also künftig die Revolution des Journalismus an. Er wird entscheiden, was lesens- und damit bezahlenswert ist. Mit einem einzigen Klick.