Aus katholisch wird evangelisch

FUSION Besonders für kleine Hospitale ist die Gefahr groß, von Klinikkonzernen geschluckt zu werden. Es geht auch anders: In Niedersachsen wechselt jetzt ein Krankenhaus von einem konfessionellen Träger zu einem anderen

Die Krankenhauslandschaft ist im Umbruch. Besonders kleine Kliniken sind massiv bedroht. Etliche Häuser mussten bereits schließen, andere wurden von den sich krakenartig ausbreitenden Klinikkonzernen geschluckt – meist mit schwerwiegenden Folgen für Mitarbeiter und teilweise auch für die Patienten. Dass es auch anders gehen kann, zeigen Beispiele aus Südniedersachsen: In der Kleinstadt Einbeck etwa übernahmen betuchte Bürger das örtliche Spital in Eigenregie und in Göttingen kaufte jetzt ein großes evangelisches ein kleines katholisches Krankenhaus auf.

Die Klinik Neu-Mariahilf wurde 1865 von der katholischen Ordensgemeinschaft der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vincenz gegründet. In der Region gilt das Krankenhaus heute als feine Adresse. Mit seinen gerade einmal 104 Betten ist es wirtschaftlich, aber wirtschaftlich nicht überlebensfähig. Seit zehn Jahren schon schreibt die Einrichtung rote Zahlen.

Gekauft hat es nun das Evangelische Krankenhaus Göttingen-Weende. Mit 448 Betten ist die Einrichtung nach der Göttinger Universitätsklinik das zweitgrößte Krankenhaus in der Region. Mehr als 37.000 ambulante und rund 18.000 stationäre Patienten werden dort jedes Jahr von etwa 1.100 Beschäftigten versorgt.

Der Wechsel eines Krankenhauses von einem konfessionellen Träger zu einem anderen ist aller ökumenischen Rhetorik zum Trotz keineswegs eine Selbstverständlichkeit. In Niedersachsen gab es das vorher überhaupt erst ein einziges Mal: Vor zehn Jahren hatte das Evangelische Bathildiskrankenhaus in Bad Pyrmont das katholische Haus St. Georg übernommen.

Der Göttinger Deal verlief alles andere als problemlos. Dass die Verhandlungen fast anderthalb Jahre dauerten und nach Angaben der Beteiligten nicht immer leicht waren, ist dafür nur ein Indiz. Der Verkauf von Neu-Mariahilf sei „schweren Herzens erfolgt“, räumt Oberin Teresa Slaby von den Vizentinerinnen ein.

Bereits 2010 war eine mögliche Fusion beider Häuser angekündigt worden. Nach einigen Verhandlungen wurde sie dann aber wieder abgeblasen. Beobachter machten Widerstände aus der Leitung des katholischen Bistums Hildesheim verantwortlich. Die wollten die Klinik lieber schließen, als sie an die evangelische Kirche zu veräußern. Obwohl flächenmäßig das drittgrößte Bistum in Deutschland, wähnen sich die Hildesheimer in der Diaspora – also als von Andersgläubigen umzingelt.

Über den Kaufpreis machten die beiden Kliniken übrigens keine Angaben. Für die etwa 250 Mitarbeiter von Neu-Mariahilf gab es dann aber eine gute Botschaft. Ihre Stellen sollen zunächst erhalten, mittelfristig vielleicht sogar aufgestockt werden. Endgültige Ansagen gibt es aber wohl erst nach dem Kassensturz.  REIMAR PAUL