BETTINA GAUS MACHT
: Gebetene Gäste müssen leider draußen bleiben

Zuzug begrenzen? Es ist ja nicht einmal mehr möglich, meine Freundin Joyce aus Kenia auf einen Kurzbesuch in Deutschland einzuladen, weil sie ohnehin gerade in London ist. Wie unglaublich peinlich

Wie viel Zuwanderung dieses Land verkraftet, weiß ich nicht. Aber ich weiß inzwischen, dass mein Staat versucht, mich an Gastfreundschaft zu hindern. In einer dringenden Angelegenheit muss ich meine langjährige kenianische Freundin Joyce treffen. Sie ist derzeit – mit Visum – aus beruflichen Gründen in den USA unterwegs und wird im November auf der Heimreise nach Nairobi einige Tage in London – mit Visum – Station machen. Praktisch, dachten wir in aller Unschuld. Da macht sie noch einen Abstecher nach Berlin, und alles ist geregelt. Von wegen.

Um Joyce auch ein Visum für Deutschland zu verschaffen, unternehme ich alle notwendigen Schritte, und das sind nicht wenige. Ich besorge mir vom Steuerberater eine Bescheinigung, der zufolge ich über mehr als 832 Euro monatlich verfüge. Wer weniger Geld hat, darf sowieso niemanden einladen. Aber ich habe genug. Schön. Dann lasse ich mir – drei Tage im Voraus – einen Termin bei der zuständigen Stelle in Berlin geben, um eine sogenannte Verpflichtungserklärung zu unterschreiben. Ohne Termin geht gar nichts. Ich kann auch niemanden bevollmächtigen, die Sache für mich zu regeln.

Aber mit Termin, Pass, schriftlicher Auskunft über meine finanziellen Verhältnisse und der Bereitschaft, 25 Euro Bearbeitungsgebühr zu zahlen, darf ich versprechen, für alle Schäden aufzukommen, die der Aufenthalt von Joyce verursachen könnte. Kenia verlangt keine vergleichbaren Garantien für Gäste aus Deutschland.

Per Express schicke ich das kostbare Dokument nach Nairobi. Das hätte ich mir sparen können. Die Botschaft dort teilt Termine für die Visavergabe nur noch online zu. Und diese Termine sind – leider, leider – auf Wochen hinaus ausgebucht. Ja, auf Wochen. Rückflugticket nützt nichts, Eilbedürftigkeit ist kein Argument, Glaubwürdigkeit der Bereitschaft zur Heimkehr ebenfalls nicht. Ein bedauerndes Achselzucken der Botschaft via Internet ist die einzige Reaktion auf die dringende Bitte um einen Termin vor Abreise in die USA.

Ist doch kein Einzelfall, worüber rege ich mich auf? Darüber rege ich mich auf. Dass es kein Einzelfall ist. Gerade wurde der Visumsantrag eines marokkanischen Ehepaares – Verpflichtungserklärung lag vor – von der deutschen Botschaft abgelehnt. Hätte ja sein können, dass die beiden hier bleiben möchten. Bestimmt nicht. Sie wollten den Bruder des Mannes und die deutsche Schwägerin besuchen. Jetzt wollen sie nie wieder ein Visum für Deutschland beantragen.

Wozu auch? Nach Europa können sie ohnehin jederzeit reisen: Der Ehemann ist Repräsentant einer italienischen Firma und ständig mit Schengen-Visum in Italien unterwegs. Das erzählt Christian Nakonz, jahrelang selbst deutscher Botschafter in Afrika, inzwischen Repräsentant des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft in Berlin.

Früher waren Botschaften – unter anderem – Dienstleister für die eigenen Staatsbürger und deren Angelegenheiten, wozu ja auch private Einladungen zählen. Wann wurde diese Aufgabenbeschreibung geändert?

■ Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz Foto: A. Losier