Exsicherheitschef wird der Korruption verdächtigt

CHINA Seit Monaten gehen die Behörden gegen Zhou Yongkang vor. Nun trifft es seine gesamte Familie

AUS PEKING FELIX LEE

Als Xi Jinping vor einem Jahr zum Staatspräsidenten von China ernannt wurde, hatte er die Korruptionsbekämpfung zur Chefsache erklärt. Viele Beobachter dachten: Wieder eine dieser vielen leeren Ankündigungen. Der eine überführte Beamte hier, der andere abgesetzte Parteisekretäre da, doch an den Kern wagte sich keiner heran. So ist es in China zumindest in den vergangenen 30 Jahren gewesen.

Doch Xi scheint es ernst zu meinen. Er werde weder vor „Fliegen noch vor Tigern“ haltmachen, versprach er und meinte damit, er werde auch vor Spitzenkadern nicht zurückschrecken. Nun scheint Xi es auf einen besonders bissigen Tiger abgesehen zu haben.

Am Wochenende haben die chinesischen Behörden der Nachrichtenagentur Reuters zufolge in einer groß angelegten Aktion Besitztümer und Konten im Wert von über 14,5 Milliarden Dollar beschlagnahmt. Die Betroffenen kamen alle aus dem Umfeld des ehemaligen übermächtigen Sicherheitschefs und Hardliners Zhou Yongkang,. Darunter waren seine Frau, sein Sohn und sein Bruder.

Zhou war zwischen 2007 und 2012 für die Inlandssicherheit zuständig und gehörte bis 2012 zum ständigen Ausschuss im Politbüro, dem mächtigsten Gremium in der Volksrepublik. Auf ihn geht unter anderem das harte Urteil gegen den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo zurück. Sollte es zu einer Anklage gegen den 71-Jährigen kommen, wäre es das erste Mal seit mehr als 30 Jahren, dass ein so ranghoher KP-Funktionär belangt wird.

Im Sommer hatten Hongkonger Zeitungen erstmals davon berichtet, dass Chinas Führung gegen Zhou ermittelt. Seit Dezember 2013 ist er inhaftiert, ebenso sein Sohn. Was die KP-Spitze Zhou konkret vorwirft, ist bislang nicht bekannt.

Anlässe, worauf sich die Vorwürfe beziehen könnten, finden sich aber viele. Zhou war in den neunziger Jahren als Vize-Minister zuständig für die Ölindustrie und Parteichef der Provinz Sichuan. Unter seiner Ägide entwickelten sich die staatlichen Erdölunternehmen zu einflussreichen Größen. Viele Milliarden Yuan sollen in dieser Zeit in dubiose Kanäle der sogenannten „roten Ölbarone“ geflossen sein. Die meisten von ihnen sind inzwischen verhaftet.

Zhou gilt als Mentor von Bo Xilai, der bis zu seinem Sturz größter Widersacher des jetzigen Präsidenten Xi war. Als Bo im Frühjahr 2012 gestürzt wurde, stimmte Zhou als einziger im ständigen Ausschuss gegen die Amtsenthebung.