Hegel im Harnisch

„Der König“: Der letzte Roman von Donald Barthelme, einst Mastermind der Postmoderne

Wenn Monty Python keine so albernen wie intelligent durchtriebenen Filme gedreht, sich als Gruppe nicht aufgelöst und fürderhin nicht noch vereinzelt am Mainstream geleckt hätten, vielleicht hätten sie dann irgendwann – vermutlich Ende der Achtziger – angefangen, Bücher zu schreiben. Über die Artussage zum Beispiel. Bücher wie die von Donald Barthelme zum Beispiel: albern, mit Botschaft, furchtbar gescheit, aber ohne sinnfreie Dispute über das zulässige Gesamtgewicht afrikanischer oder europäischer Schwalben zum Beispiel.

König Artus ist schwer beladen. Er steckt mitten im WK2, hat die Streitmächte Albions zu befehligen, taktische Finten zu erdenken und diplomatische Spitzfindigkeiten zu deuten. Die Altersweisheit nagt schon sehr an seiner Führungsrolle, derweil vom Festland her ein gewisser „Haw-Haw“ großdeutsche Expansionserfolge in die Welt hinaus bellt, sekundiert von „Ezra“, der aus Italien via Rundfunk kryptischen Antisemitismus beisteuert, meist kaum verständlich: „Es rauscht sehr. Typisch Ezra.“ Die Königsgattin Ginevra vögelt unterdessen so ziemlich jeden Ritter, der nicht bei drei wieder auf dem Pferd sitzt; und deren gibt es einige: den Roten, den Braunen, den Blauen und den Schwarzen. Letzterer trifft selbstredend und sagengemäß bei Gelegenheit auch auf den ebenso umwobenen Lanzelot. Statt im professionellen Hauen und Stechen (es sind gerade mal keine Drachen zu erlegen) verlieren sich die beiden Ritter aneinander – beim Picknick, bei gepflegter Konversation über Burtons „Anatomie der Melancholie“ und beim Räsonnieren über Sinn und Zweck ihres Berufsstands: „‚Ich verbringe mein ganzes Leben damit, auf etwas draufzuhauen‘, sagte Lanzelot. ‚Ist das die beste Lebensweise?‘“

So weit, so wirr. Irgendwann gelangt Artus über Umwege in den Besitz einer Formel zum Bau der Atombombe, die einzusetzen er sich jedoch nach reiflicher Überlegung weigert: „‚Es ist eine Fähigkeit, an der ich lange gearbeitet habe‘, sagte Artus. ‚Ich nenne sie negative Befähigung.‘“ Die übrige Tafelrunde reagiert auf diesen Beschluss recht emotional: „‚Lang lebe der König!‘, riefen alle aus, und Tränen barsten ihnen aus den Augen, und sie sanken ohnmächtig zu Boden.“

Donald Barthelmes Kleinstroman „Der König“ ist ein bisschen wie Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“ für Philosophen mit Schwerpunkt in praktischer Ethik. Das Problem ist nur, dass den Damen und Herren Philosophen dieser hochgradig verfeinerte, mit literarischen Anspielungen gespickte, in ein Netz kulturgeschichtlicher Interferenzen eingesponnene und dennoch amtlich alberne Humor zumeist vollständig abgeht.

Barthelme starb 1989 im Alter von bescheidenen 58 Jahren. In den USA galt er seit den 60er Jahren als eine Art Mastermind der amerikanischen Postmoderne. Suhrkamp hatte ihn eine Zeit lang im Programm. Das ist auch schon wieder eine Weile her. „Der König“ ist Barthelmes letzter Roman, 1990 posthum im Original erschienen. Maximilian Schäfer hat ihn jetzt in ein hollywoodeskes und selbstironisches Lanzen-Hegel-und-Harnisch-Deutsch übertragen. Es ist derzeit die einzige auf Deutsch verfügbare Arbeit Barthelmes. Ritterliche Treue und Langmut sind offenbar aussterbende Tugenden.

NICOLAI KOBUS

Donald Barthelme: „Der König“. Aus dem Amerikanischen von Maximilian Schäfer. Urs Engeler Editor, Basel / Weil am Rhein 2006, 174 Seiten, 17 Euro