Japan will Herrlichkeit

Der neue Premierminister Abe verlangt in einer Grundsatzrede eine neue Verfassung für ein „neues Japan“, das von der Welt „bewundert“ wird

AUS TOKIO MARCO KAUFFMANN

Die Zeit sei gekommen, dass Japan diplomatisch bestimmter auftrete, sagte der neue Regierungschef Shinzo Abe gestern in seiner ersten Grundsatzrede vor dem Parlament. Abe, der unlängst ein Buch mit dem Titel „Hin zu einem schönen Land“ schrieb, brauchte in seiner Rede achtmal den Begriff „schönes Land“, zwölfmal rief er eine „neue Ära“ respektive ein „neues Japan“ aus.

Der am Dienstag zum Nachfolger von Junichiro Koizumi gewählte Ministerpräsident will daher die Revision der pazifistischen Verfassung zügig an die Hand nehmen. Benötigt werde ein Dokument, das „der neuen Generation besser entspricht“, sagte Abe und mahnte die Parlamentarier an, „so bald wie möglich“ den rechtlichen Rahmen für eine Verfassungsänderung zu schaffen.

Japans geltende Verfassung wurde dem einstigen Kriegsaggressor von den US-Besatzungstruppen diktiert und verpflichtet das Land, sich nur so weit zu bewaffnen wie zur Selbstverteidigung nötig. Abe ist Japans erster Ministerpräsident, der nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde. Er forderte nun eine Verfassung aus „japanischer Feder“. Die Befürworter einer solchen Revision argumentieren, das Land könne derzeit seine internationale Verantwortung – zum Beispiel bei Friedensmissionen der UNO – nicht wahrnehmen. Ein Großteil der japanischen Bevölkerung steht den Revisionsbestrebungen allerdings kritisch gegenüber.

Den Nachbarn China und Südkorea, die Tokios Bemühen um eine robustere Außenpolitik mit Misstrauen verfolgen, reichte Abe zumindest rhetorisch die Hand. Beide Staaten seien wichtige Nachbarn für Japan und gute, vertrauensvolle Beziehungen zu ihnen seien von großer Bedeutung für Asien und die internationale Gemeinschaft, so der neue Premier. Das Verhältnis Japans zu beiden Ländern hat sich seit den Pilgergängen von Abes Vorgänger Junichiro Koizumi zum umstrittenen Yasukuni-Schrein massiv verschlechtert.

Abe sagte in seiner Rede nicht, ob er als Regierungschef auf Besuche des Kriegsdenkmals zu verzichten gedenkt – so wie es von Peking als Vorbedingung für eine Gipfeltreffen verlangt wird. Hingegen könnte laut Medienberichten ein Gespräch mit dem südkoreanischen Staatspräsidenten Roh Moo-hyun bereits nächste Woche stattfinden. Seoul hatte sich seit mehr als einem Jahr geweigert, Junichiro Koizumi zu einem Gipfeltreffen zu empfangen – wegen dessen Yasukuni-Pilgerei. Wenig Chancen auf eine Annäherung gibt es mit Nordkorea. Eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen seien erst dann möglich, wenn das Schicksal der nach Pjongjang entführten Landsleute geklärt sei, sagte Shinzo Abe. Nicht zuletzt seine harte Haltung gegenüber Kim Jong-Ils Militärregime hat ihn in Japan populär gemacht.

Abe beschränkte sich in seiner Grundsatzrede nicht auf Außenpolitik. Mehrmals rief er zu einer Erneuerung der japanischen Gesellschaft auf: „Ich werde mich mit Herz und Seele dafür einsetzten, Japan zu einem schönen Land zu machen – eine Nation, auf die unsere Kinder stolz sein können und die von der Welt bewundert und respektiert wird.“ Abe will per Gesetz mehr Patriotismus in die Schulstuben bringen. Mit solcher Rhetorik dürfte er dem konservativen Flügel der regierenden Liberaldemokraten aus dem Herzen sprechen.