Schock für Hamburger Grüne

KONFRONTATION Flüchtlinge aus dem Auffanglager Horst besuchen die GAL. Dort ist man über den Besuch überrascht – und weist jede Mitschuld an den Missständen im Lager von sich

„Der Hamburger Senat ist in der Pflicht, dass diese Kinder zur Schule gehen können“

Dorothea Zirkel, Flüchtlingsrat

VON STEFFI HENTSCHKE

Martin ist wütend. Selbstbewusst steht der Siebenjährige vor der Landesgeschäftsstelle der Hamburger GAL. „Ich will zur Schule gehen“, fordert er, „ich will Deutsch lernen!“ Martin ist serbischer Roma und zusammen mit seiner Familie vor vier Wochen nach Deutschland geflohen. Seitdem lebt er im „Erstaufnahmelager“ Horst im Kreis Ludwigslust.

„Familien dürften dort gar nicht hin, die Zustände sind unerträglich“, sagt Franz Forsmann vom Flüchtlingsrat Hamburg. Besonders prekär sei die Situation für die vielen Kinder. „Wir haben kein Spielzeug, keine Stifte oder Papier“, sagt Martin. Er ist eines von rund 15 Kindern, die in Begleitung ihrer Eltern die GAL besuchten, die in Hamburg mitregiert. Horst dient auch als Auffanglager für Hamburg.

Lange hatten die Hamburger Grünen einen sozialeren Umgang mit den Asylbewerbern gefordert. „Seit sie an der Macht sind, wird eine allgemeine Flüchtlingspolitik zugunsten weniger Einzelfälle zurückgestellt“, sagt Dorothea Zirkel vom Flüchtlingsrat. Dabei sei die Sache eigentlich klar: Auch für Flüchtlingskinder gelte die Schulpflicht. „Der Hamburger Senat ist deshalb in der Pflicht, dass diese Kinder zur Schule gehen können“, sagt Zirkel.

Besonders wütend ist der Flüchtlingsrat über einen Brief von Ralph Bornhöft (SPD), dem Chef der Ausländerbehörde. Ihn hatte man angeschrieben, um auf das Problem aufmerksam machen. „Soweit es um die Schulpflicht geht“, schreibt Bornhöft in seiner Antwort, „darf ich Sie darauf hinweisen, dass diese an einen Wohnsitz in Hamburg anknüpft.“ Das sei bei den Flüchtlingen in Horst nicht gegeben. Tatsächlich gehört das Lager zu Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings bringt Hamburg dort seit Jahren „seine“ Flüchtlinge unter, rund 110 sind es zurzeit. Offiziell bleibt niemand länger als drei Monate. Der Hansestadt fehlt es jedoch an Plätzen, um der zunehmenden Zahl von Flüchtlingen gerecht zu werden.

Antje Möller, die stellvertretende Vorsitzende der GAL-Fraktion und deren flüchtlingspolitische Sprecherin, ist von dem spontanen Besuch aus Horst sichtlich überrascht. „Bevor wir Teil der Regierung wurden, wurden in Hamburg Plätze gezielt abgebaut“, versucht sie sich zu verteidigen. Die GAL habe erreicht, „dass dies aufhört“.

Eigentlich hatten die Gäste mit Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) sprechen wollen. Goetsch ist nicht da. Nun muss Möller im Konferenzraum Rede und Antwort stehen – vor laufender Fernsehkamera und den Blicken neugieriger Kinder. „Wenn die GAL nicht nach Horst kommt, kommt Horst eben zur GAL“, sagt Forsmann vom Flüchtlingsrat laut. „Aber Franz“, fällt Möller ihm ins Wort und schaut ihn dabei an, als hätte er gerade einen Rosenkrieg angezettelt.

Es dauert ein, zwei Minuten, bis die Politikerin sich wieder gefangen hat. Natürlich täten ihr die Kinder leid, sagt sie. „Aber ich wehre mich gegen eine Schuldzuweisung.“ Möller berichtet von einem Antrag, der demnächst in der Bürgerschaft besprochen werden soll. Mehrere Objekte würden überprüft – dass die Unterbringung von Familien in einem Lager wie Horst nicht hinnehmbar sei, stelle die GAL nicht in Frage. „Aber wir haben einfach keinen Platz.“

Zum Schluss dürfen Kinder noch etwas sagen: „Meine Schwester ist krank“, sagt ein kleiner Junge, „sie hat Angst und braucht einen Arzt.“ Auch Martin hebt den Arm. Er wolle einfach nur schreiben lernen, sagt er.